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Neues vom Kupferstecher

■ Mit dem Hamburger Waldsterben auf Du und Du Von Kaija Kutter

Recht launig ging es gestern früh bei Umweltsenator Fritz Vahrenholt zu. Butterkuchen für die Journalisten im Forsthaus Hausbruch, dazu ein paar Infos über die Lage des Waldes und anschließend Borkenkäfer gucken gehen. Das sind halbsalmigroße schwarze Tierchen, die gestern vor den Objektiven der Kameras Totenstarre markierten, im Wirklichkeit aber den Sommer über Hamburgs Wald ganz ordentlich gepiesackt haben.

Rund 3000 Bäume, so schätzt Hamburgs Chef-Förster Rainer Wujciuk, mußten bereits im Juli gefällt werden, um den Angriff der Käfer vom Typ „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“, die die lebenswichtige Versorgungsrinde zerfressen, zu stoppen.

„Borkenkäfer gehören in den Wald, weil sie die Nahrungsgrundlage für andere Tiere bieten“, sagte Umweltsenator Vahrenholt. Bei normalen Witterungsverhältnissen sind sie nicht gefährlich. Problem in diesem Sommer: Durch Hitze und Trockenheit haben sie sich dreifach vermehrt. Die Bäume, die sich normalerweise durch Harzfluß gegen die Parasiten wehren, waren eben deshalb geschwächt.

Hamburgs Staatsförster haben es in den Griff bekommen: Keine Insektizide - wie gegen den Schwammspinner in Süddeutschland -, sondern die Säge wurde eingesetzt, das Holz an die hiesige Bauindustrie und Schwedens Papierhersteller verkauft. Und „positiv an der ganzen Geschichte“, so der Umweltsenator, sei, daß die freigewordenen Flächen mit Mischwald aufgefüllt werden, eine Maßnahme, die sich auch bei der Bekämpfung des Waldsterbens an sich bewährt habe. Denn dort, wo nur Nadelhölzer stünden, sei die Waldschadensbilanz 1994 schlechter ausgefallen.

Insgesamt habe sich am Zustand des Waldes „kaum etwas geändert“, die Zahl der gesunden Bäume ist mit 47,9 Prozent nur um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Eine Bilanz, die angesichts der Horrorzahlen der 80er Jahre - 1985 und 1986 war nur jeder sechste Baum gesund - weniger schlimm aussieht, was Vahrenholt auf den Rückgang der Kraftwerks-emissionen zurückführt.

Nach Baumarten aufgegliedert geht es in Hamburg Douglasien und Lärchen am besten (85 bzw. 78,4 Prozent gesund), dicht gefolgt von Buchen und Eichen. Schlecht dagegen geht es Kiefer und Fichte, zwei von drei Nadelbäumen kränkeln. Wie dies aussieht, erklärte Rainer Wujciuk bei einem kurzen Rundgang. Eine lichte Krone etwa, durch die der Himmel durchscheint, ist ein schlechtes Zeichen. Hier sind Nadeln der Vorjahre zu früh ausgefallen. Fichten, an deren Spitzen kleine Kreuze herausragen, haben eben deshalb Nottriebe gebildet.

Hier endet das kleine Einmaleins des Waldsterbens. Denn vergilbte Blätter, ein weiteres wichtiges Kriterium, nach dem die 4500 Testbäume seit zehn Jahren von Hamburgs Umweltbehörde untersucht werden, können vom Herbstlaub nicht mehr unterschieden und somit den Journalisten nicht gezeigt werden.

So sachkundig informiert, beunruhigt die an ihren Schreibtisch zurückgekehrten Schreiber schlechte Kunde aus Kiel. „Der schleswig-holsteinische Wald ist krank“, beginnt die Mitteilung von Landwirtschaftsminister Hans Wiesen. Vordringlich sei deshalb eine drastische Senkung der Stickoxid und Ammoniakemissionen. „Noch nie hatten wir Waldschäden in einem Umfang wie in diesem Jahr“, sagt Wiesen-Sprecher Horst Eger. Anders als in Hamburg leiden im Nachbarland auch Eiche und Buche, „ihre Widerstandskraft hat verloren“, heißt es in dem Bericht.

Die absolute Zahl – 50 Prozent der Bäume in Schleswig-Holstein sind inzwischen krank – ist der von Hamburg ganz ähnlich, der Umgang damit allerdings weniger routiniert.

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