■ Wie sich Klaus Murmann den Sozialstaat wünscht
: Asozial von oben

Eine Große Koalition wäre den Unternehmern die angenehmste Bundesregierung, hieß es in einer Umfrage des WDR. Nur unter dieser Prämisse machen die Forderungen des Arbeitgeberpräsidenten Klaus Murmann, die nicht einem Umbau, sondern der Abschaffung des Sozialstaats gleichkämen, politisch Sinn. Gerade Rentner und Schwangere schröpfen zu wollen ist der sicherste Weg, mindestens zwei Drittel der CDU auf die Barrikaden zu bringen. Schließlich sind Blüms „sichere Renten“ der Kern christdemokratischer Sozialpolitik, Rentner die treuesten CDU- Wähler. Und wenn die konservative CDU überhaupt Veränderung will, dann in der Familienpolitik: Es darf sogar ruhig Steuergelder kosten, wenn nur die Frauen schön brav mit möglichst vielen Kindern zu Hause hocken bleiben.

Droht man gleichzeitig kranken Arbeitnehmern mit Lohnkürzungen, ist sogar der rot-grüne Teil der SPD bereit, um dieses Übel zu verhindern, mit der umweltfaulen Kohl-Partei zu paktieren. Selbst die Grünen würden verständnisvoll nicken, und die PDS würde den Großkoalitionären ein Tolerierungsangebot unterbreiten. So schadet Murmanns asozialer Exzeß ganz direkt der FDP. Wollten sich die Liberalen doch gerade beim Thema Lohnnebenkosten profilieren. Seit gestern aber ist das Thema „Umbau des Sozialstaats“ besetzt, und zwar von den ganz bösen Kapitalisten. Die Republik kann sich schließlich gut daran erinnern, daß die Landtagswahldebakel der FDP mit dem Wort von der Besserverdiener-Partei begannen.

Offenbar ist der Unternehmerwunsch nach der Großen Koalition so dringend, daß der Arbeitgeberfunktionär sogar gegen das Interesse seiner Klientel zu verstoßen bereit ist. Seine Klassenkampfparolen von oben verschärfen für die gesamte nächste Tarifrunde das Verhandlungsklima. Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften am Beginn des Aufschwungs, damit es langfristig mehr umzuverteilen gibt? Das Argument kann nun kein Gewerkschafter als bedenkenswert gelten lassen. Rausholen, was rauszuholen ist, bevor das große Streichkonzert beginnt, wird verständlicher Reflex sein. Die Eskalation des Konflikts nützte letztlich niemandem, und den modernen Unternehmen mit kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, eigenverantwortlichen Beschäftigten und flachen Hierarchien am allerwenigsten.

Murmann wünscht sich die Große Koalition so dringend, daß er sogar seinen Job riskiert. Manch ein aufgeklärter Unternehmer wird ihn schlicht für durchgeknallt halten und seine Frühverrentung fordern. Vielleicht reichen in diesem Fall ja tatsächlich 65 Prozent vollkommen aus! Donata Riedel