: Möllemann entdeckt die Teamarbeit
Die Liberalen streiten weiter über personelle Konsequenzen aus dem Wahldesaster / Rücktritt des Bundesvorstands gefordert / Nur Möllemann bleibt moderat und strebt Ministeramt an ■ Von Hans Monath
Bonn (taz/dpa) – Mit der Suche nach einem neuen Profil tun sich die Liberalen auch zwei Tage nach der Wahl schwer. Auch die Ankündigung eines Sonderparteitages im Dezember konnte gestern die interne Diskussion der Liberalen nach dem Wahldebakel nicht beenden. Als Konsequenz aus dem Verlust der Basis in Ländern und Kommunen wurde die Parteispitze der FDP erneut aufgefordert, den Bundesvorstand neu wählen zu lassen. Nur Kinkel-Kritiker Jürgen Möllemann wählte diesmal versöhnliche Töne.
Der Parteivorstand der schleswig-holsteinischen FDP forderte gestern geschlossen eine Neuwahl des gesamten Bundesvorstandes. Nach Meinung der norddeutschen Liberalen sollten Parteichef Klaus Kinkel und Generalsekretär Werner Hoyer auf dem Sonderparteitag ihre Ämter zur Disposition stellen. Auch der nordrhein-westfälische Abgeordnete Burkhard Zurheide forderte den Rücktritt des Vorstands in Bonn. Zurheide war am Sonntag nicht mehr in den Bundestag gewählt worden. Doch der Bundesvorstand denkt nicht an einen solchen Schritt. Der FDP- Chef des nördlichsten Bundeslandes, Jürgen Koppelin, war schon am Montag mit seinem Rücktrittsantrag abgeblitzt.
Ratschläge für das Verhalten in der Koalition erteilte auch die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher ihrer Partei. Die Liberalen dürften nicht um jeden Preis mit der Union koalieren, sagte sie dem Kölner Express. Sie müßten ihr Profil bewahren und dürften sich nicht überzogenen Forderungen beugen. Für „Erneuerung und Reform“ innerhalb der Koalition sprach sich der Ehrenvorsitzende der FDP, Otto Graf Lambsdorff, aus. Unter Hinweis auf den Verlust der strategischen Mehrheit durch die CDU bestritt Lambsdorff gestern, daß die FDP-Position in der Koalition geschwächt sei. Die FDP hat am Sonntag gegenüber der Bundestagswahl 1990 mehr als ein Drittel ihrer Stimmen verloren und war hinter CSU und Grünen nur fünftgrößte Kraft geworden.
Der Vorsitzende der nordrhein- westfälischen FDP, Jürgen Möllemann, der angeblich an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen will und ein Ministeramt anstrebt, präsentierte sich gestern als Anhänger liberaler Teamarbeit. Auf die Frage, ob Kinkel der richtige Mann sei, um die FDP aus dem Tief herauszuholen, sagte er: „Jetzt sollten wir uns nicht aufsplitten, sondern die Kräfte bündeln, um gemeinsam in einer leistungsfähigen Mannschaft als Team zu operieren.“
Am kommenden Montag wird der FDP-Bundesvorstand die Delegation für die Koalitionsverhandlungen benennen.
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