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FU bereinigt Statistik

■ „Zwangsberatung“: 4.000 Studierende weniger, aber keine Entlastung der Uni

15.172 Studierende der Freien Universität, die um mehr als zwei Semester über der Regelstudienzeit lagen, erhielten im Mai einen „Blauen Brief“ ihres Uni-Präsidenten. Darin machte Johann Wilhelm Gerlach die Rückmeldung für das Wintersemester von der Teilnahme an einer Prüfungsberatung abhängig. Die Pflicht zum Gespräch mit einem Professor hatte die FU als Reaktion auf die Forderung von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) eingeführt, von „Langzeitstudenten“ Studiengebühren zu erheben. Die Studierenden lehnten die „Zwangsberatung“ strikt ab.

Gestern zog Gerlach eine erste Bilanz. 24,1 Prozent der Angeschriebenen hatten sich bereits zur Prüfung angemeldet oder das Studium abgeschlossen. Weitere 28,4 Prozent dagegen exmatrikulierten sich nach Erhalt des „Blauen Briefs“ oder verzichteten auf die Rückmeldung. 8,2 Prozent ignorierten die Beratung völlig und meldeten sich ohne den geforderten Nachweis zurück.

Bleiben also 39,3 Prozent, die bereits zu Gesprächen erschienen. Was sich Studierende und Professoren nach Jahren der Kontaktlosigkeit zu erzählen hatten, verrät eine Befragung der Lehrenden, die Diether Grün vom „Projekt pro Lehre“ durchführte; eine Befragung von Studierenden soll im November folgen. Nach Ansicht Grüns hat die Aktion vor allem einen großen Beratungsbedarf gezeigt, der von den Lehrenden bislang nur unzureichend befriedigt werde. Zudem hätten die Professoren „wichtige Informationen über die Lebensumstände ihrer Studenten erhalten“. Bei den Gründen für lange Studienzeiten nannten die Gesprächsprotokolle an erster Stelle Erwerbsarbeit, gefolgt von gesundheitlichen Problemen und familiären Belastungen.

Daß schlechte Studienbedingungen nur eine untergeordnete Rolle spielten, erstaunt Gerlach nicht – schließlich hätten „Langzeitstudenten die Universität real nicht mehr in Anspruch genommen“. Daher führten die rund 4.000 Exmatrikulationen, mit denen die FU aufgrund der „Zwangsberatung“ rechnet, „zu keiner Entlastung der Universität“, sondern dienten nur der „statistischen Bereinigung“.

Nicht allein die Beratung hat die Zahl der Studierenden an der FU von über 60.000 im vergangenen auf rund 54.000 im laufenden Wintersemester verringert. Auch der bundesweite Trend trug dazu bei. Außerdem versucht die FU, durch die Ausweitung von NC-Studiengängen Studierende abzuschrecken. In Fächern wie Geschichte, Politologie, Germanistik oder Romanistik habe es, so Traugott Klose vom FU-Präsidialamt, nach Einführung eines NC deutlich weniger Bewerber gegeben, so daß im Nachrückverfahren doch alle Interessenten einen Studienplatz erhielten. Ralph Bollmann

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