■ Mit bunten Plastiksachen auf du und du: Polen überschwemmt
Warschau (taz) – Der Vertreter wird immer begeisterter: „Diese neuen französischen Tapeten sind nicht nur sehr schön, sie sind abwaschbar, leicht anzubringen, leicht abzumachen und garantiert unverwüstlich.“ Nein, die entwickeln auch bei einem Wohnungsbrand kein Dioxin – sie sind nämlich absolut unbrennbar. Nur auf eine Frage weiß er keine Antwort: Was man denn mit diesen tollen französischen Vinyl-Tapeten machen soll, wenn man sie nicht mehr braucht.
Auf die Frage wissen die meisten Polen keine Antwort, weshalb jenseits der Oder die Abfallberge wachsen und die Müllverbrennungsanlagen wie Stinkmorcheln aus dem Boden schießen. Zu kommunistischen Zeiten brauchte man keinen Denkanstoß zur Abfallvermeidung. Die Verpackungen waren primitiv, aber natürlich, meistens bestanden sie aus Papier. Seit der wirtschaftlichen Öffnung wird Polen von allem überschwemmt, was bunt ist, glänzt, garantiert unverwüstlich und ebenso schwer abbaubar ist: Vinyle, Polyester, Plastik, Aluminium. Inzwischen werden diese Produkte auch in Polen selbst hergestellt. So betreibt Procter & Gamble inzwischen in der Nähe Warschaus eine Fabrik für Wegwerfwindeln, Pepsi eine Fabrik für Einwegflaschen aus Plastik, zwei große internationale Konzerne bauen zugleich Getränkedosen-Fabriken, eine davon mit einem geplanten Jahresausstoß von 800 Millionen Stück.
Aber der Müll ist beileibe nicht das einzige Problem. Der Ozonschicht-Killer Freon strahlt Polens Verbrauchern in den Supermärkten von Spray-, Parfüm- und Rasierschaumetiketten entgegen. Die polnische Tochter von International Paper soll ihr Papier immer noch mit Chlor bleichen, obwohl dieselbe Firma bereits 1983 ein Patent zur chlorfreien Bleichung angemeldet hat. Polen begebe sich damit auf einen nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich riskanten Weg, warnt Eva Marsden von Greenpeace: „Das Land verbaut sich seine Exportchancen, indem es jetzt Produktionskapazitäten für Waren aufbaut, bei denen absehbar ist, daß sie in Zukunft gar nicht mehr nach Westeuropa exportiert werden können.“
Das droht bereits polnischen Waschmittelherstellern, die mehrheitlich von bekannten westlichen Konzernen aufgekauft wurden, deren Erzeugnisse aber weiter Phosphate enthalten, die beispielsweise deutsche Vorschriften verletzen. Die Importeure und Hersteller umweltschädlicher Technologien und Produkte kümmert das bisher allerdings noch wenig. Denn es gibt ja noch die östlichen Nachbarn, bei denen westliche Produkte wie Einwegflaschen und Alu-Dosen noch viel mehr in Mode sind. Klaus Bachmann
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