: Der einzige Bremer Euphoniumbläser der ganzen Welt
■ Neue taz-Reihe: „Jazz in Bremen“ (1)/ Uli Sobottas seltene Liebe zum mächtigen Baritonhorn und zum improvisieren
Er ist Bremens bekanntester, wenn nicht einziger Euphonium-Bläser: Uli Sobotta. Dabei war er eigentlich nach Bremen gekommen, um Gitarre zu studieren. Das ist gut zwanzig Jahre her. Seinerzeit lehrte noch der Saitenvirtuose Christian Kaiser Gitarre am Bremer Konservatorium. Bei ihm studierte Uli Sobotta sieben Semester. Aber: „Irgendwann wuchs die Unzufriedenheit mit der Gitarre. Mir war nicht möglich, daß zu spielen, was ich eigentlich wollte. Theoretisch kannst du ja Gitarre spielen, ohne Luft zu holen.“ Ich hatte das Gefühl, mit einem Blasinstrument näher an das heranzukommen, was mir vorschwebte.“ Daß die Wahl dann auf das Baritonhorn fiel, war eher Zufall: Als Kind hatte Sobotta im Posaunenchor der Kirche Tenorhorn geblasen, sein Onkel Baritonhorn. An das geriet er, als er seine Mutter fragte, ob zuhause nicht noch irgendein Horn rumläge.
Gut zehn Jahre sind seitdem vergangen. Mit der stärkeren Orientierung aufs Baritonhorn war auch ein stilistischer Wechsel zu freieren Ausdrucksformen verbunden. Die Musik seiner Band „Body Control“ ging noch in Richtung des harmolodischen Free-Funk a lá James Blood Ulmer. Aber das Interesse Sobottas an spontaner und freier Improvisation stieg.
Zunächst stürzte er sich allerdings 1986 in den Aufbau der „Offenen Jazzschule“, die er gemeinsam mit dem bekannten Bremer Bassisten Sigi Busch als Projekt der Bremer MusikerInnen Initiative (MIB) gründete. In die Zeit danach fiel die Gründung des gemeinsamen Trios mit Michael Klagge (g) und Trugot Thelitz (tb), das sich nach den Instrumenten GTE (Guitar, Trombone, Euphonium) nannte. Mit diesem Trio spielte Sobotta auch seine erste CD (GTE Unlimited) ein.
War die Musik des inzwischen aufgelösten Trios GTE noch geprägt von komponierten Vorgaben für Melodie und Sound in meist kürzerer, komprimierter Form, ging Sobotta seiner Neigung für spontan improvisierte Klänge im Rahmen der Improvisationen-Reihe der MIB nach. Was reizt ihn an freier Improvisation, insbesondere vor dem Hintergrund einer zum Teil äußerst begrenzten Publikumsresonanz? „Mich fasziniert vor allem das Unvorhergesehene, das in so einer Situation passiert; das Risiko nicht zu wissen, wie die Mitmusiker reagieren, und mit diesem Risiko musikalisch produktiv umzugehen. Und was das Publikum angeht, man gewöhnt sich daran vor wenigen Leute zu spielen, das geht ja auch viel bekannteren Musikern so. Ich hab die Idee so zu spielen, daß die Zuhörer eine Spannung empfinden.““
Dabei steht neben der musikalischen Idee, oft zunächst eine Rhythmusfigur zu der das tubaverwandte Instrument einlädt, auch das Experimentieren mit verfremdeten Sounds, wie Überblasen, das Benutzen eines Saxophonmundstücks, das zu schnarrenden, obertonreichen Klängen mit ganz eigener Dramatik führt, oder das Sprechen bzw. Hineingrummeln ins Instrument.
Manchmal löst Sobotta sich auch ganz von seinem Horn und rezitiert mehr lautmalerisch als sinnstiftend geordnete Worte. „Für mich sind kontroverse Reaktionen auch okay. Bei den Zuhörern kommen die Ideen ja sowieso immer anders an, gehen durch deren Filter. Manchmal ist das für beide Seite großartig, manchmal eben weniger.“
Hauptproblem ist aber immer überhaupt Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen. Angesichts der kommerziellen Sperrigkeit experimenteller Musik und drastisch reduzierter Kulturetats wird es immer schwieriger Jobs zu finden und der organisatorische Aufwand nimmt immer mehr zu. Da genießt Sobotta es, wenn er sich mal um nichts kümmern muß, wie bei seinen Auftritten mit dem Theater aus Bremen (TAB), wo er die Begleitmusik zum Marlowe-Stück „Der reiche Jude von Malta“ beisteuert.
Aktuell betreibt er vor allem das schon länger bestehende Skurrilpop-Jazz-Quartett „Lemon Cake“ und das Lyrik & Jazz Projekt S.A.E. mit dem Gitarristen Peter Apel und der Schauspielerin Anke Engelsmann, das unter dem irreführenden Titel „The Canary Murder Case“ über Texte von Julio Cortazar improvisiert.
Arnaud
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