: Das Gehirn aller Baustellen
■ Logistikzentrum, eine wichtige Schnittstelle für die Bauvorhaben am Potsdamer Platz, in Betrieb genommen
Vor drei Monaten war der verlassene Anhalter Güterbahnhof fast noch ein idyllisches Plätzchen: die rostigen Bahngleise von kniehohem Gras überwuchert, die roten Backsteingebäude zum Teil verfallen. Nur ab und zu war hier ein Mensch zu sehen. Doch Spazierengehen ist hier bald nicht mehr erlaubt. Der 1945 stillgelegte Bahnhof an der Möckernstraße (nicht zu verwechseln mit dem Anhalter Personenbahnhof etwas weiter nördlich) wird in den nächsten Monaten eingezäunt und Tag und Nacht streng bewacht. Hier entsteht eine der wichtigsten Schnittstellen für die Bauvorhaben am Potsdamer Platz, quasi das Gehirn aller Baustellen.
In dem zukünftigen Logistikzentrum, das die Rhenus AG aus Dortmund betreibt, wird alles per Bahn oder Schiff eintreffende Stückgut abgeladen und über eine eigens gebaute Straße auf LKWs zu den Baustellen der Investoren gebracht. In Velten (Brandenburg) errichtet die Rhenus AG im Moment auf 12.000 Quadratmetern ein ähnliches Logistikzentrum, daß den Umbau des Lehrter Bahnhofs und des Regierungsviertels koordinieren soll.
Transportiert werden von Baumaschinen über Hölzer und Zwischendecken bis zur Rolltreppe für die späteren Luxusbüros alle Materialien außer Zement und Betonstoffe, die in den nächsten acht Jahren für die größte Baustelle Europas gebraucht werden. Doch mehr Verkehr soll es durch die Riesenbaustelle nicht geben: „Nur in Ausnahmefällen“ werde direkter LKW-Verkehr zur Baustelle außerhalb des Logistikzentrums zugelassen, so der Geschäftsführer Willhelm Maier, alles andere werde auf dem alten Bahnhof abgewickelt. Gäbe es Schiff und Bahn nicht, so wären das immerhin rund 5.000 LKW-Fahrten pro Tag.
Mit Hilfe von extra entwickelten Programmen berechnen ComputerspezialistInnen die exakte Ankunft und Verladezeit jedes Containers, bei geschätzen acht Jahren Bauzeit sollen 1,4 bis 1,7 Millionen Tonnen Material umgeschlagen werden. Doch zuviel Container auf einmal dürfen nicht ankommen, sonst bricht das komplizierte System möglicherweise zusammen. Zwischenlagerungen von Gütern seien zwar kurzzeitig möglich, aber „sehr schwierig“, so der Geschäftsführer.
Doch bisher ist auf dem weitläufigen Gelände, dessen Instandsetzung bisher 30 Millionen Mark gekostet hat, noch keine Hektik zu spüren. Ein grellorangener 30 Meter breiter und 15 Meter hoher Kran, der auf zwei 270 Meter langen Schienen hin und her bewegbar ist, verlädt mit seinen riesigen Greifern bisher nur einige Container pro Tag.
Richtig losgehen wird es erst Anfang November nach der Grundsteinlegung für das debis- Hochhaus. Wenn dann auch Sony und ABB im nächsten Jahr anfangen zu bauen, sollen bis zu 200 Container am Tag verladen werden. Julia Naumann
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