: Dadaistischer Matrosensabbath
■ Kampnagel: L'Ensemble Walpurgis mit „The Soluble Fish“
Zwei singende Fische „Vis“ und „Spek“, zwei sich entsetzlich langweilende Offiziere und ein Bordorchester, versammelt auf dem Schoner „Branbury“ – wer hier absurdes Musiktheater erwartet, kann gar nicht falsch liegen. Und tatsächlich verwandeln Ryszard Turbiasz' Inszenierung „The Soluble Fish“ für sein Ensemble Walpurgis und Peter Vermeersch' Musik jede Seefahrer-Romantik in einen dadaistischen Matrosensabbath. Da wird geflachst und sich geprügelt, abstruse Tiergeschichten über laichende Fische und hinterhältige Pelikane erzählt, mit Papierschnipseln eine Meuterei entfacht und „fischige“ Gedichte von Josse De Pauw als bizarr-schöne Lieder dargebracht.
Produziert mit jener typisch belgischen professionellen Lockerheit, die deutschen Ensembles oft so deprimierend abgeht, entwickelt sich ein höchst amüsanter, musikalisch reifer und dennoch völlig unpompöser Theaterabend. Insbesondere die Auftritte von Dirk Van Dyck als cholerisch-verdrehter Offizier entwickeln oft eine brüllende Komik, deren grobe Schläge durch die rhythmisch-harmonische Abstraktion von Vermeersch' Musik und die ätherischen Arien von Spek (Judith Vindevogel) und Vis (Charles Van Tassel) ins Gleichgewicht gefügt werden.
Das Stück, das sehr frei aus den Gedichten De Pauws und Wittold Gombrowicz' Novelle Die Begebenheiten auf der Brigg Branbury komponiert wurde, erfüllt gerade durch seine Collagenhaftigkeit die Anforderungen an eine abstrakte Erzählung, ohne je die unterhaltende Bodenhaftung zu verlieren.
Daß auf der Bühne bei der Premiere fast mehr Menschen waren, als im Zuschauerraum, ist angesichts der Qualität der Aufführung und der Namhaftigkeit der Akteure (Vermeersch ist unter anderem Komponist für Rosas, Van Tassel und Vindvogel bekannte Sänger und das Ensemble selbst in der Theaterszene auch nicht ganz unbekannt) ist bitter.
tlb/Foto: Markus Scholz
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