„Er wird nie treu sein“

■ Was tut die Frau, wenn der Mann sich in einen Mann verliebt? Reihe „Bisexualität“

„Hilfe, mein Mann ist schwul!“ Für Frauen, die oft erst nach jahrelanger Partnerschaft oder Ehe von den bisexuellen Neigungen ihrer Männer erfahren, bricht meist eine Welt zusammen. Klischees gibt es viele über jene Frauen, die in unterschiedlichsten Beziehungsformen ihren Umgang mit der Bisexualität des Partners erlernen müssen. Sind sie bedauernswerte Opfer, die ihre Männer an die Homosexualität verloren haben? Fielen sie auf die Unwissenheit des Mannes über seine eigene Sexualität herein? Oder wurden sie gar als Alibi geheiratet, weil der Mann sich sein Schwul-sein nicht eingestehen konnte?

„Lieb doch die Männer und die Frauen“ heißt eine Veranstaltungsreihe von Gesundheitsamt, VHS, Männerbüro, Rat & Tat sowie Pro Familia, die seit Ende September bringt Licht in das Dunkel um das Thema Bisexualität bringen will. „Mein Mann liebt auch Männer“ - dieses Thema interessierte rund 40 Frauen und Männer, die am Donnerstag abend ins Bürgerhaus Weserterrassen kamen. Die Bremer Pro-Familia-Vorsitzende Brigitte Honnens stellte ihre brandneue Doktorarbeit vor: Darin ist es ihr gelungen, bei Frauen das Schweigen zum heiklen Thema Bisexualität ihrer Männer zu brechen. Mit rund 50 Frauen, größtenteils aus Bremen, führte sie Interviews über ihre Situation.

Schnell wurde Honnens deutlich, daß Frauen nicht zufällig in Partnerschaften mit Männern geraten, die auch vom eigenen Geschlecht angetan sind: „Sie sind selten ahnungslos“, schildert die Wissenschaftlerin. „Die Hälfte weiß es, die andere ahnt es oder entwickelt eine Strategie des Nicht-Wissen-Wollens.“ Dabei orientiere sich die Auswahl des Partners vor allem daran, daß die Männer kaum dem gängigen Bild der ,Männlichkeit' entsprächen: „Die Frauen fühlen sich nicht so sehr als Sexualobjekte, sondern einfach als Mensch angenommen. Das heißt, sie sind keine bedauernswerten Opfer, denn sie profitieren von der Partnerschaft“, so Honnens.

Dennoch: Ist die Wahrheit erst mal raus, fangen die Probleme an. Die meisten Frauen geraten schnell in eine soziale Isolation. Mit Unterstützung von außen ist kaum zu rechnen. Eine Besucherin: „Nach 19 Jahren Ehe fiel ich aus allen Wolken. Ein Arzt riet mir zur Psychotherapie, doch ich wollte mich ja nicht mit meiner Kindheit beschäftigen – nur einen Knopf drücken und weg sind die Probleme. Weg blieben vor allem Freunde.“

Keine Unterstützung von außen heißt auch: Niemand kann Ratschläge geben. Die Frauen bleiben mit dem ständigen Rechtferti-gungszwang ihres Partners, der Beziehung und sich selbst alleine. Doch ob die Betroffenen sich vom Partner trennen, einfach nur alles totschweigen oder sich arrangieren: Die größten Konflikte entstehen durch Druck von außen. Können die gesellschaftlichen Tabus in der Beziehung nicht überwunden werden, zerbrechen die Partnerschaften in der Regel.

Den BesucherInnen lagen viele Fragen auf der Seele: „Hatten die Frauen keine Probleme damit, daß die Ehe niemals monogam sein wird? Denn es ist ja klar: Er wird nie treu sein“, wollte eine Frau wissen. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die zeigte, daß auch die heterosexuelle Beziehung kaum erforscht ist. Honnens: „Wer weiß denn, ob Untreue nicht auch in diesen Beziehungen normal ist?“ Für die Frauen bisexueller Männer gebe es zwei Strategien: Entweder ,Was ein Mann ihm gibt, könnte ich ihm nie geben', oder: ,Wäre es eine Frau gewesen, hätte ich wenigstens um ihn kämpfen können. So ist er an die Homosexualität verloren'.

„Wie reagieren Frauen, wenn sich der Mann in den Mann verliebt?“. Das sei wohl die größte Bedrohung für die Partnerinnen. Doch, so wunderte sich ein Mann: „Gibt es keine Frauen, die das gut finden und sagen: Bisexualität ist etwas Erstrebenswertes?“ Und ein anderer Mann brachte die Probleme im Reden über die Bisexualität auf den Punkt: „Ist der Versuch, die Sexualiät der Menschen in Kategorien zu sperren, nicht selbst das Problem?“ André Hesel