: Wärmeschutz – Alternative zum Pullover
■ Ab 1995 gilt eine neue Wärmeschutzverordnung / Umweltressort fördert Sanierung von Altbauten / Gerangel um Material
Stell Dir vor, du heizt und heizt und heizt und es bleibt doch immer frisch in der Wohnung. Da hilft nur eines, könnte man meinen: einen warmen Pullover anziehen, einen Tee kochen und abwarten. Wem es dann nicht heiß wird, der sollte darüber nachdenken, warum es mit dem eigenen Wärmehaushalt nicht stimmt.
Wem dieser Weg zum Ziel zu risikoreich ist, für den hat die Verbraucherzentrale dieser Tage eine Sonderberatung zum Thema „Wärmedämmung“ und „neue Wärmeschutzverordnung“ angeboten. Manfred Heuer saß da, Architekt von Beruf, und machte die Erfahrung: Ehr schon kommen Leute zur Verbraucherzentrale, weil sie ihre Heizkostenabrechnung nicht verstehen und bezweifeln, oder weil sie sich ein neues Haushaltsgerät kaufen wollen.
Energieberatung, wenn es um die Wärmedämmung geht, wird kompliziert. Für Wärmeschutz-Fenster gelten ab kommendem Jahr bundesweit neue Richtlinien, der „K-Wert“ soll auf 1,3 gesenkt werden. Die genaue Angabe „W/qm“ ist ein Fall für Techniker, „K“-Wert ist die Bezeichnung für die Wärme- bzw. Kälte-Durchlässigkeit. 1,3 K bedeutet: Nicht mehr die Wärme von 30 Litern Heizöl (wie bei normaler Doppelverglasung) geht in einem normalen Jahr durch 1 Quadratmeter Fensterglas ins Freie, sondern nur noch 17 Liter. Die Hersteller werben also mit einem Wärmegewinn von 50 Prozent. Aber wie lange muß ich 13 Liter jährlich Heizöl sparen, um den Preis für ein 1 Quadratmeter großes Fenster rauszuhaben? Die Hersteller haben auch gegenüber den alten Wärmeschutz-Fenstern den Preis um mehr als 130 Liter Heizöl angehoben — unter zehn Jahren rentiert sich hier also nichts.
Vor der Frage des Glases stellt sich deshalb schonmal die Frage der Ritzen. Was nützt das schönste Glas, wenn es darunter durchzieht? Die allerdings ist nicht in der neuen Wärmeschutzverordnung geklärt, sondern in der Din 4108<, weil Wärme-Berater Heuer. Wir ersparen uns die Details, weil klar ist: Je dichter, desto besser.
Als Mieter In zerbreche ich mir aber völlig vergebens den Kopf darüber — zuständig für Wärmeshhutz ist der Besitzer. Und der zahlt nicht meine Heizrechnung, leider. Der zahlt aber die neuen Fenster. Und so hilft bei diesem Thema nur der gute alte Obrigkeitsstaat: Neue Vorschriften zwingen die Hausbesitzer, die wärmeisolierenderen Fenster zu verwenden. Die Hersteller freuen sich über die Chance, neue Preise durchzusetzen, und die Mieter zahlen es, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob sie ihr Geld nicht lieber für Zigaretten ausgeben würden bei Fenstern mit automatischer Selbstlüftung als für die modernen Wärmeschutz-Fenster.
Bleibt der Wärmeschutz an den Außenwänden. Von innen bin ich als Mieter da weitgehend König: Holzverschalung im Landhaus-Stil, Styropour-Platten, (fast) alles ist erlaubt, wenn ich bereit bin, es vor Auszug wieder abzureißen. Leider gilt immer noch im wesentlichen: Je dicker die Wärmeschutz-Haut, desto besser der Wärmeschutz. Für die Innen-Befestigung setzt das Grenzen.
Außen und unter dem Dach ist wiederum der Hausbesitzer zuständig. Der kann, wenn er mehr tut als das Nötigste, über das Umweltressort einen Teil seiner Öko-bedingten Mehrkosten als Förderung zurückbekommen — vorausgesetzt das Haus ist vor der ersten Wärmeschutz-Verordnung 1978 gebaut und hat nicht mehr als vier Wohneinheiten.
„Immer noch wird hier manchmal Styropor verbraucht“, ärgert sich Wärmeschutzberater Heuer bei der Verbraucherzentrale. Die industrielle „Lobby“ sei da sehr stark. Die Öko-Gegenlobby hat mit ihren guten Argumenten zumindest im Bereich der Dach-Dämmung inzwischen „Isofloc“ so populär gemacht, daß es praktisch preisgleich angeboten werden kann. Nicht gefördert werden allerdings FCKW-haltige Materialien oder etwa Polyurethan-Platten und -Schäume. Im Katz- und Mausspiel des Fortschritts bieten die Hersteller inzwischen „FCKW-freie PU-Schäume“ an. Die Öko-Türen, einbruchssicher aus Isofloc, lassen derweil noch auf sich warten...
Der Wärmeschutz-Berater der Verbraucherzentrale nimmt sich Zeit, um alle möglichen und unmöglichen Frage zu erörtern und zumindest an spezielle Fachberater weiterzuverweisen. Selbst die Frage: „Wie soll ich im Wintergarten heizen?“ schockt ihn nicht, sondern gibt ihm das Stichwort zu Erklärungen über den kleinen Unterschied zwischen Einfachverglasung (Da ist heizen relativ unsinnig) und Isoglas.
Der Wärmeschutz-Fachberater kann sich die Zeit für derlei Erörterungen nehmen: Die kleinen Hausbesitzer, die sowohl die Rechnung fürs wärmedämmende Renovieren wie die fürs Heizen zahlen müssen, sind im Klientel der Verbraucherzentrale eher die Ausnahme. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen