: Hauptsache, der Tropfen ist italienisch
■ Ein Weinhändler klagt über den Qualitätsschwund italienischer Weine
Carlo Lambertini ist kaufmännischer Leiter einer italienischen Weinkooperative und einer Spirituosen-Import-Exportfirma
taz: In Deutschlands Weinregalen stehen zahlreiche ausländische Tropfen. In Italien findet sich allenfalls mal eine Flasche spanischen Weins, und nur im äußersten Grenzgebiet im Norden sind Etiketten aus den Nachbarländern zu finden. Wie kommt das?
Carlo Lambertini: Das hängt mit der italienischen Eigenart zusammen, die eigene Ernährung als das Nonplusultra anzusehen. Wenn Italiener zum ersten Mal in ihrem Leben ins Ausland müssen oder wollen, lautet die Grundfrage nicht, was soll ich anziehen oder wieviel Geld soll ich mitnehmen, sondern nur: Großer Gott, was werde ich dort essen müssen. Und so ißt der Normalitaliener eben gerne das, was Mamma kocht, und trinkt Wein, den er selber herstellt, oder von einem Cousin kauft, der ihn auch selber herstellt. Angeblich jedenfalls.
Wieso angeblich?
Weil heute kaum einer mehr genug Wein für sich selbst herstellen kann, dazu sind die Grundstücke und Ländereien inzwischen in viel zu viele Parzellen aufgeteilt. Zuerst kauften die Eigenhersteller dann noch Trauben zu, dann wurde die Eigenproduktion schon eher kollektiv vorgenommen, indem sich mehrere Familien zusammengetan haben. Aber die Mobilität hat das alles auch zerstört, und so kauft der Durchschnittsitaliener heute noch gut und gerne sechs- bis achthundert Liter für seine Familie im Jahr dazu.
Da könnte er aber doch auch mal Importware probieren?
Das ist ja das Problem: Auch wenn es gar nicht möglich ist, genug eigenen Wein herzustellen, ist doch der Glaube, man müsse nur solches Zeug trinken, dessen Herstellung irgendwie durch persönliches Kennen des Produzenten qualitativ gesichert ist. Im kleineren Kreise ist das zunächst so, daß die Leute, wenn sie schon keinen selbstherstellenden Cousin haben, in einer Firma einkaufen, wo sie einen Angestellten kennen, so als wäre das der Garant für Reinheit. Im erweiterten Sinne ist das dann so, daß den Italienern ein im Lande hergestellter Wein immer noch vertrauenswürdiger erscheint als ein im Ausland gekaufter.
Aber die vielen Gastarbeiter im Ausland werden doch auch dort angestammten Wein trinken?
Da liegt ein zweiter Grund für die Resistenz der Italiener: Sie ziehen ihren Wein tatsächlich wesentlich aromatischer, duftiger, geschmacksintensiver als etwa die Deutschen, die einen hochentwickelten, mit einem sehr feinen Bouquet versehenen Wein herstellen. Italiener aber essen anders als die Deutschen, für sie muß Wein starken Geschmack haben.
Befriedigt denn der interne Hersteller die Bedürfnisse?
Der Glaube sagt dazu ja. In Wirklichkeit haben in den letzten Jahrzehnten gerade die Weinherstellungsgesetze eine rege Vernebelungstätigkeit ermöglicht – obwohl sie angeblich immer wieder verschärft wurden, besonders nach Pansch-Skandalen. Da werden die einst für Montepulciano typischen Trauben mittlerweile längst in den Abruzzen angebaut und der Wein darf sich auch so nennen, da wird Traminer auch in Sizilien gezogen, da werden Weinbasen aus dem Ausland eingeführt und dann unter italienischen Namen lanciert. Mehr als dreihundert neue Weinnamen sind in den letzten zehn Jahren auf den Markt gekommen, meist mit stark lokal gefärbten Bezeichnungen. Da stimmt längst fast nichts mehr, doch was selig macht, ist eben der Glaube. Interview: Werner Raith, Rom
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