: Ein Terminal für Phantome
Am Montag wird die neue Abfertigungshalle des Flughafens Frankfurt eröffnet / Am Dienstag kommen die Bauarbeiter ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt
Die Gigantomanie beim Bau von Flugzeugen hielt einfach nicht Schritt mit der Gigantomanie des Rhein-Main Flughafens. Gigantisch am sogenannten „Terminal II“ ist nur die Fehlplanung geworden. Die Spiegelfassade erinnert an die Zwillingstürme der Deutschen Bank, die Halle ist sonnendurchflutet. Aber die Großraumflugzeuge, die hier einmal andocken sollen, existieren nur auf den Reißbrettern von Ingenieuren.
800 Passagiere sollen die Riesen an Bord nehmen können. Ähnlich imaginär ist die Spannweite ihrer Flügel, so jedenfalls lauteten die Prognosen aus dem Jahr 1984. Prompt rechneten die Flughafenbauer damit, daß auf der Gesamtlänge des Terminals von immerhin 600 Metern ganze acht Andockpositionen für die Zukunftsmaschinen Platz haben werden.
Die Weitsicht schafft jetzt sehr lange Wege. Die Piloten der Fluggesellschaften werden ihre real existierenden Maschinen schon weit im Vorfeld der neuen Abfertigungshalle zum Stillstand bringen müssen. Geduldig werden die Passagiere dann mit dem Bus zu ihren Koffern fahren.
Ohne die Vision von den Großraumflugzeugen im Hinterkopf, so sagen auch Verantwortliche der Frankfurter Flughafen AG (FAG) heute, hätte man bis zu elf Andockpositionen einplanen können. Doch der bislang 2,5 Milliarden Mark teuren Abfertigungshalle fehlt noch vieles mehr. Die für zweistellige Millionenbeträge eingekauften Fluggastbrücken, die den Passagieren den problemlosen Wechsel vom Terminal in die Maschinen und umgekehrt gewährleisten sollten, passen zwar zu den Jumbo-Jets vom Typ Boeing 747 — aber nicht zu den Airbussen oder den Boeings vom Typ 737.
Neue Fluggastbrücken sind deshalb bereits geordert. Die Brücken, die zur Eröffnung montiert sind, werden danach umgehend wieder abegaut; sie sollen dann am alten Terminal eingesetzt werden.
Was vorne zuviel ist, fehlt hinten. Die Prognosen über die zu erwartenden Fluggastzahlen waren trotz der Großraumjets viel zu niedrig ausgefallen. Die jetzt fertiggestellten 96 Abfertigungsschalter der 20 am Terminal II vertretenen Fluggesellschaften reichen schon heute nicht aus, rund 30 weitere Schalter mußten kurzfristig neu eingeplant werden. Und nach Einschätzung von Flughafenexperten aus den USA werden die Fluggastzahlen weiter wachsen: Derzeit starten oder landen im Jahr fünf Millionen Fluggäste in Frankfurt, für das Jahr 2000 sind schon 12 Millionen vorausgesagt.
Am Montag müssen der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) und Vertreter der Bundesregierung und der Stadt Frankfurt ihre Sonntagsreden halten. Nach der Schlacht am Buffet werden wieder die Bauarbeiter Dauergäste im Terminal II sein. Um die neuen Abfertigungsschalter mit Gepäckförderbändern zu versehen, müssen ganze Decken aus Beton und Marmor durchbrochen werden. Monteure stehen auf Abruf, um die unbrauchbaren Fahrgastbrücken wieder ab- und die neuen, bananenförmigen anmontieren zu können. Es wird eng. Denn die normalen täglich etwa 14.000 Fluggäste müssen auch noch durch den Rhein-Main-Flughafen geschleust werden.
Für die Bündnisgrünen im hessischen Landtag steht deshalb fest, daß das schöne neue Terminal II am Ende fünf Milliarden Mark kosten werde. Ein „Steuergrab“ nannte deren parlamentarischer Geschäftsführer Reinhold Weist das, was die FAG als „bestes Empfangsgebäude der Welt“ rühmt. Mitverantwortlich dafür sei der frühere hessische Finanzminister und amtierende Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU), der dem inzwischen abgelösten Flughafenchef und Stauber nie auf die Finger geklopft habe. Weist: „Dilettantisches Gehabe, gepaart mit Größenwahn“.
Den Ministerpräsidenten tröstet ein anderer Blick in die Zukunft. Der Transrapid-Fan Hans Eichel durfte schon am vergangenen Dienstag die Flughafenbahn in Betrieb nehmen, die das neue Terminalgebäude mit der alten Abfertigungshalle verbindet. Denn leider befindet sich der Fernbahnhof der Deutschen Bahn AG immer noch unter dem alten Terminal, auch die Hotels und das Flughafen-Kongreßzentrum sind nur von dort aus zu erreichen.
Aber es gibt den „Sky Way“, der dem Transrapid gleicht: Auf einer Betonschiene schwebte der Ministerpräsident in der Fahrgastkabine rund 17 Meter über dem Flughafengelände – eingeklemmt zwischen Fotografen und Journalisten.
Die Frage drängte sich geradezu auf, ob denn mit den vier kleinen Zügen der erwartete Massenansturm von eiligen Passagieren mit Sturmgepäck überhaupt bewältigt werden kann. Die Flughafengesellschaft hat die Lösung schon gefunden: „Ordnungskräfte“, heißt es, sollen an den Bahnsteigen dafür sorgen, daß die Reisenden nach britischem Muster Schlange stehend in den Mini-Transrapid verladen werden.
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