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Sex-Märchen bei Kerzenschein

■ Michael Altmann las Georges Bataille in der NachtKantine des Schauspielhauses

In einem kleinen überfüllten Kellergewölbe fand man sich in der Nacht zum Samstag zusammen, um bei gedämpftem Licht und Kerzenschein gemeinsam erotischen Phantasien zu lauschen. Allerdings nicht in irgendeinem Schummerloch auf St. Pauli oder St. Georg, sondern in der Kantine des Schauspielhauses las Michael Altmann Der Tote. Diese letzte Erzählung aus Batailles Obzönem Werk handelt von der jungen Frau Marie, deren Geliebter stirbt.

Vor der Einsamkeit flüchtet sie sich kurz nach seinem Tod in das Dorfwirtshaus. Von dem Regen durchnäßt und fast gänzlich unbekleidet steht sie in der Tür des Lokals. Die bunte Gesellschaft, die sich zu der späten Stunde noch dort befindet, ist zunächst von dem Anblick entsetzt. Doch lassen sich die Anwesenden später von Marie zu einem wilden Saufgelage verführen. In einem Rausch des Schmerzes und des Alkohols inszeniert sie eine skurrile pornographische Trauerfeier, in der sie ihr erotisches Verlangen auslebt.

Obwohl es der musikalischen Lesung nicht an heißen Worten fehlte, herrschte dennoch während der gesamten Darbietung eine dezente Atmosphäre. Fehlte dem Publikum einfach die Lust an dieser Literatur oder mißlang es den Ak-teuren, eine vor erotischer Spannung knisternde Stimmung in der Kantine zu erzeugen?

Die Klangbilder, mit denen Achim Gieseler und Thilo Krigar auf Synthesizer, präpariertem Klavier und Cello die abstruse Geschichte begleiteten, besaßen zweifellos aufregende und spannende Momente. Doch fehlte ihnen der kleine Schuß erotischer Rhythmik. Mit zuviel Ruhe und Sittlichkeit glichen sie sich dem Schauspielhaus-Mimen Altmann an, der zwar ein wunderbarer Erzähler ist, aber dessen freundliche Ausstrahlung doch zu sehr an den netten Märchenonkel denken ließ.

Martje Schulz

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