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Luxuriös tarnt sich die Krise

Nach dem faden 0:1 bei Borussia Dortmund dementiert Bayern-Trainer Trapattoni, daß deutscher Meister nur der BVB werde  ■ Aus Dortmund Christoph Biermann

„Spitzenspiel!“ hatten die Herolde der Bundesliga in den Tagen zuvor auf allen Kanälen posaunt. Der Meister gegen den großen Herausforderer. Der Champion beim Tabellenführer. Die alte Großmacht zu Gast beim drängendsten Konkurrenten. Bayern in Dortmund. Großer Trommelwirbel! Und so kamen sie herbei aus dem ganzen Land und füllten das Westfalenstadion bis auf den letzten Platz. Um das Spielfeld herum wuselten die Kamerateams und raschelten die Notizblöcke.

Welche Aufregung! Die Redaktionen der Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen hatten nur ihre erfahrensten Fachkräfte, schärfsten Analysanten und unbestechlichsten Kritiker geschickt (nun ja, offensichtlich gab es Ausnahmen), um das große Match in allen Details zu erforschen und keines der Geheimnisse dieser neunzig Minuten im verborgenen zu lassen. Denn schließlich wollte die Fußballnation erfahren, wie es weitergeht, wo die Zukunft liegt im deutschen Fußball. In solch einem Spiel geht es schließlich nicht nur um zwei Punkte: Hier trafen sich Meister, um ein Zeugnis von der Größe ihrer Kunst abzuliefern.

Und siehe da, es war großartig und mitreißend, ein dramatischer Kampf, mit höchstem Einsatz geführt und vergoldet durch höchste spielerische Kunst. Da jubelten die Fans auf den Rängen, fielen von Aaahs zu Ooohs, und selbst Experten, die doch objektiv prüfen sollten, vergaßen ihre staatstragend strengen Mienen, und anstatt nachdenklich an ihren Federn zu kauen, hielten sie den Atem an und hätten dann fast mitgejubelt. Doch plötzlich stieß der Schiedsrichter zweimal scharf in seine Pfeife, das Spiel war aus. Warum denn jetzt schon? Wo es gerade so schön war. Es waren doch erst elf Minuten gespielt. Elf furiose, mitreißende Minuten toller Spitzenfußball.

Aber nein, kein Irrtum. Da war es, das bewährte Strickmuster alter B-Movie-Profis aus Hollywood. Über Engpässe an Substanz und Qualität schummelt man sich mit einem Knall am Anfang und einem starken Schluß hinweg. Zum Auftakt ließ Bayerns Torwart, der ehrgeizverzerrte Kahn, den Ball überraschend fallen, und der flinke Schweizer Chapuisat spitzelte danach. Doch ehe er ins Tor treffen konnte, wurde er von Kahn am Fuß festgehalten. Das hätte Elfmeter geben müssen! Unbedingt! Doch Schiedsrichter Steinborn („Sie bieten mir ganz neue Perspektiven“) ließ sich auch von ZDF-Töpperwiens freundlichem Angebot, sich das Ganze auf dessen Monitor noch einmal anzusehen, nicht beirren. Und Kahn gab hinterher grimmig zu Protokoll: „Den Chapuisat braucht man doch bloß anzupusten.“ Wütend pfiffen die Zuschauer, und hatten was, womit sie sich beschäftigen konnten.

Danach wurde nämlich lange Minuten die spielerische Krise der Bundesliga in ihrer luxuriösesten Form vorgeführt. Offensichtlich schlecht war das natürlich nicht, dazu waren viel zu viele gute Spieler auf dem Platz. Und immer gab es mal einen, dem gerade etwas Schönes einfiel und einen anderen, der mittun wollte. Doch nur selten fügte sich das auch über die dritte und vierte Station zusammen, um dann gar vor dem Tor zu einem Abschluß gebracht zu werden.

Recht anämisch wirkte, was beide Mannschaften auf dem Rasen vorführten, ohne Vision, ohne wirklich überraschen zu können. Die Bayern hatten sowieso nur einen der Ihren in die vorderste Reihe beordert, was den Eindruck nur verstärkte, das sie auf ein lahmes 0:0 spekulierten. Darüber täuschten auch die wenigen Torchancen nicht hinweg. Mit diesen Spielverderbern mühte und plagte sich Borussia, ohne jemals die große Idee zu finden. Wären nicht die aufregenden Schlußminuten nach Riedles 1:0 gewesen, die Zuschauer wären wohl wortlos aufgestanden und gegangen.

So riefen sie laut, daß deutscher Meister nur der BVB würde, was Giovanni Trapattoni aber dementierte. Er gab nämlich bekannt, daß über die Meisterschaft noch nicht entschieden ist. Was hoffentlich auch für die Qualität weiterer Mega-Super-Gipfel-Spitzentreffen gilt.

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