piwik no script img

Arbeitsminister attackiert Arbeitgeberverbände

■ Blüm: Sozialstaat „keine Kirmesbude“

Frankfurt (AP/taz) – Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hat sich gegen die neuen Forderungen aus der Industrie zur Reform des Sozial- und Rentensystems gestellt. Der Sozialstaat sei „keine Kirmesbude, die nach Belieben auf- und abgeschlagen werden kann“. Der CDU-Minister attackierte vor allem die Absicht, das Rentensystem in Frage zu stellen. Statt andauernd darüber nachzudenken, was sie wo abbauen könnten, sollten die Arbeitgeber sich lieber um neue Erfindungen und bessere Qualität der Industrieprodukte kümmern.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, hatte ähnlich wie zuvor Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann radikale Änderungen bei Rente und Sozialhilfe verlangt. Stihl monierte, daß wegen der hohen Sozialhilfe in einigen Fällen kein Anreiz zum Arbeiten bestehe. Er unterstützte auch die Auffassung Murmanns, die Lohnfortzahlung bei Krankheit einzuschränken. Stihl kritisierte zudem die Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995, die womöglich zum Zusammenbruch des Sozialsystems führen werde. Er forderte eine grundsätzliche Änderung des Rentensystems: Ausgezahlt werden solle nur noch eine Grundsicherung, die sich nach den gezahlten Beiträgen jedes Arbeitnehmers richtet. Darüber hinaus solle jeder für sich vorsorgen. Neben Tarifabschlüssen in der Nähe der „faktischen Nullrunde“ des Jahres 1994 will Stihl mit den Gewerkschaften auch die Einführung von Billiglohnklassen vereinbaren.

Auch der Präsident des Caritasverbandes, Hellmut Puschmann, nannte den Umbau des Sozialsystems unumgänglich. Die Arbeitgebervorschläge würden aber zu „gewaltigen sozialen Spannungen“ führen. Die Steuerlast müsse zwischen Gering- und Besserverdienern gerechter verteilt werden. Die von der Union geforderte Beschränkung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre halte er für fatal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen