■ Zum Erfolg des bisherigen nordirischen Friedensprozesses: Wo ist der irische de Klerk?
Die bisherige Leistung der Beteiligten am nordirischen Friedensprozeß ist hoch zu bewerten: Wer hätte noch vor einem halben Jahr erwartet, daß inzwischen alle Seiten darin übereinstimmen, die politischen Differenzen fortan mit friedlichen Mitteln zu lösen. Der nächste Schritt ist schwieriger. Der britische Premierminister John Major und sein irischer Amtskollege Albert Reynolds müssen noch einige Hürden überwinden, bevor sie ihren gemeinsamen Rahmenplan als Diskussionsgrundlage vorlegen können. Da beide konservative Politiker sind, werden sie sich zweifellos irgendwo in der Mitte treffen. Das Problem ist: Innerhalb Nordirlands hat diese Mitte noch nie existiert.
Noch gibt es jedoch Grund zum Optimismus, denn nie waren die Voraussetzungen besser: Major hat den IRA-Waffenstillstand nach langem Zögern als „dauerhaft“ akzeptiert und den Weg für Gespräche freigemacht, Reynolds hat bereits mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams gesprochen, die gemäßigten Unionisten haben keine Einwände gegen Sinn Féins Teilnahme an Verhandlungen, selbst die paramilitärischen Organisationen der Loyalisten wollen mit Sinn Féin reden. Und wer redet, schießt nicht, sagte der katholische Pfarrer von Loughinisland, wo die Loyalisten im Juni sechs Menschen ermordet haben.
Nordirland wird in letzter Zeit gerne mit Südafrika verglichen, doch die Unterschiede sind erheblich: Zum einen sind die Mehrheitsverhältnisse völlig anders, zudem fehlt in Nordirland ein politisches Gespann, wie Mandela und de Klerk es gebildet haben. Zwar sind Adams – der in den USA als „irischer Mandela“ gefeiert wird – und sein Stellvertreter Martin McGuinness ein erhebliches Risiko eingegangen, indem sie alles auf eine Karte gesetzt und ihre politische Zukunft an die Dauerhaftigkeit des Waffenstillstands geknüpft haben, doch auf der Gegenseite ist kein de Klerk in Sicht.
James Molyneaux, der Vorsitzende der gemäßigten Unionistischen Partei, ist es mit Sicherheit nicht. Er hat als Nahziel lediglich die nordirische Versammlung im Visier, die Major am Wochenende in Belfast versprochen hat. Eine interne Lösung mit eingeschränkter Machtbeteiligung der katholischen Bevölkerungsminderheit, wie sie Molyneaux vorschwebt, ist jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt, wie die Vergangenheit bewiesen hat.
Major muß jetzt den Mut, der ihm bisher in allen politischen Entscheidungen gefehlt hat, aufbringen und ein Stück Hoheit über Nordirland an gesamtirische Institutionen abgeben, will er den Friedensprozeß nicht gefährden. Ein vereinigtes Irland ist langfristig ohnehin unumgänglich. Es liegt jetzt an den beteiligten Parteien, ob das in fünf oder in fünfzig Jahren geschehen wird. Ralf Sotscheck, Dublin
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