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Schönes neues Abschiebegefängnis

■ Senat beschließt Umbau eines Gebäudes für 400 Abschiebehäftlinge

Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) verbreitete die Nachricht, als handele es sich um eine menschenfreundliche Gabe: Um die „unbefriedigenden Zustände“ im Abschiebegewahrsam in der Kruppstraße zu verbessern, soll ab Herbst nächsten Jahres ein zweites Gebäude mit rund 400 Plätzen zur Verfügung stehen. Hierfür wird, so der gestrige Senatsbeschluß, das frühere Frauengefängnis in der Grünauer Straße in Köpenick für rund 24 Millionen Mark umgebaut.

In dem neuen Abschiebegefängnis sollen künftig nicht mehr als vier bis sechs Personen in einer Zelle untergebracht sein, versprach der Innensenator. Außerdem sei vorgesehen, den Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen – wie etwa sanitäre Anlagen oder Aufenthaltsräume – „weitgehend offen“ zu halten. Zusätzlich soll eine Frauen- und Krankenstation eingerichtet und im Gegensatz zur Kruppstraße die Zahl der Freiflächen erhöht werden.

Zur Bewachung und Versorgung der abgelehnten Asylbewerber werden 169 zusätzliche Stellen angefordert. Kostenpunkt: rund 10 Millionen Mark jährlich. Bislang sind in der Kruppstraße und den wegen Überfüllung ebenfalls genutzten polizeilichen Gefangenensammelstellen in der Gothaer Straße und in der Beimlerstraße 212 Personen abgestellt.

Bis zum Jahresende wird sich laut Innenverwaltung die Zahl der abgeschobenen Ausländer auf rund 4.000 erhöhen; vor drei Jahren waren es noch 1.000. Die Unterbringungszeit beträgt in den allermeisten Fällen acht bis neun Tage. Nur bei 20 Prozent werde eine Haftdauer von über zwei Monaten überschritten, erklärte der Innensenator.

Die Situation im Abschiebegewahrsam hatte im Sommer zu spektakulären Aktionen von Häftlingen geführt. Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, werden derzeit in der ehemaligen McNair-Kaserne weitere 30 Plätze eingerichtet. Die sieben Abschiebehäftlinge, die vor einigen Wochen von der Justiz-Senatsverwaltung in der Haftanstalt Moabit untergebracht wurden, werden laut Heckelmann am 8. November wieder von seiner Behörde übernommen. Es bleibe bei der vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und der früheren Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) getroffenen Vereinbarung, nach der nur in „besonders begründeten Einzelfällen“ die Justizverwaltung für die Abschiebehäftlinge zuständig sei.

Der ausländerpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Kosan, forderte gestern den Senat auf, angesichts der finanziellen Lage auf den Umbau in Köpenick zu verzichten. Wer einen festen Wohnsitz oder nur über keine gültigen Reisedokumente verfüge, sollte nicht in Abschiebehaft genommen werden. Severin Weiland

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