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Resignation und Zähigkeit

■ Nach dem Anschlag in Sri Lanka bestreitet die tamilische LTTE die Täterschaft / Spekulationen über Motive

Colombo (taz) – Die Zahl der Opfer des Anschlags auf den srilankischen Präsidentschaftskandidaten Gamini Dissanayake ist inzwischen auf 53 gestiegen, und noch immer schweben viele der rund hundert Verletzten in Lebensgefahr.

Das Attentat auf Dissanayake ereignete sich am Ende einer Wahlversammlung des für die oppositionelle United National Party kandidierenden Dissanayake. Dieser hatte vor zwei Wochen von Drohungen der LTTE gegen seine Person gesprochen, und 250 Polizisten waren zum Schutz der Wahlversammlung zugegen. Die Ladung, die offenbar aus dem amerikanischen Semtex-Pendant C-4 bestand, war nach Meinung von Sprengstoffexperen so schwer, daß sie nur von einer Person auf dem Körper getragen bis vor das Podium gelangen konnte.

Es ist diese Vorgehensweise, welche die Urheber bei der LTTE vermuten läßt. Nur die LTTE wird für fähig gehalten, eine langfristige und geduldige Infiltration und Vorbereitung eines Attentats logistisch zu meistern. Zwar gibt es in einem Land, in dem binnen eines Jahrzehnts zwischen 60.000 und 90.000 Menschen aus politischen Motiven ihr Leben verloren, gewiß genügend Menschen mit tödlichen Feindschaften. Aber die Präzision und Überlegenheit gegenüber den Sicherheitsanstrengungen des Staates schließt die meisten anderen Gruppierungen von vornherein aus. In Colombo rätselt man über die Motive, erfolgte das Attentat doch in der Nacht vor Beginn der zweiten Runde von Friedensgesprächen mit der radikalen Tamilenorganisation in Jaffna. Dort sagten LTTE-Vertreter am Montag, daß die LTTE nichts mit dem Anschlag zu tun habe. Und die Einwohner der Stadt waren betroffen, als sie über das srilankische Radio vom Attentat und dem vorläufigen Abbruch der Gespräche erfuhren. Als die Delegation aus Colombo vor zwei Wochen erstmals in Jaffna landete, kam es zu einer spontanen und herzlichen Begrüßung durch die Bevölkerung, welche nicht nur die Regierungsvertreter, sondern offenbar auch die LTTE-Führerschaft erstaunte.

Die Kreise, die in Colombo nie an einen ernsthaften Friedenswillen der LTTE glaubten – dazu gehören neben der Armee vor allem die anderen Tamilenorganisationen und große Teil der UNP – sagen nun, daß die Dynamik des Friedensprozesses den Guerillas unheimlich wurde. Da Gespräche für die LTTE nur taktische Motive hätten, drohten sie nun von Frau Kumaratungas populärem Appell überrollt zu werden. Es sei und bleibe das langfristige Ziel der Organisation, mit gezielten Attentaten allmählich die gesamte politische Führerschaft des Landes zu eliminieren, um dann einer instabilen und schwachen Regierung eine weitgehende Unabhängigkeit für den Nord- und Ostteil des Landes diktieren zu können.

In der diesem Land eigenen Mischung von Resignation und Zähigkeit haben die Politiker der UNP gestern beschlossen, keine Verschiebung der Präsidentenwahlen zu fordern; sie haben mit dem ehemaligen Premierminister Ranil Wickremasinghe auch gleich einen Nachfolger für den ermordeten Oppositionsführer ernannt. Die Behörden reduzierten das totale Ausgehverbot auf die Nachtstunden. Das Kabinett, das den Anschlag aufs schärfste verurteilte und für den politischen Gegner ein Staatsbegräbnis verordnete, weigerte sich, zu den Spekulationen über die Urheber Stellung zu nehmen; auch die Friedensgespräche, so sagte der Regierungssprecher, seien lediglich verschoben worden. Bernard Imhasly

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