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Eine verschleppte Verschleppung

■ Westdeutsche Justiz pennte, Ex-Stasi-Mann kam frei

Magdeburg (taz) – Für den damals 41jährigen Funktionär im Kreisverband Essen der rechtsradikalen NPD, Werner K., wurde die vermeintliche Reise zu seiner Freundin im deutschen Osten zu einer Fahrt in den Knast. Eine Bekannte seiner Freundin hatte den Mann im Auftrag der Stasi mit einem fingierten Anruf in die DDR gelockt, wo er noch am Grenzübergang festgenommen und später wegen staatsfeindlichen Menschenhandels und staatsfeindlicher Hetze zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Nach zwei Jahren kaufte die BRD den NPD-Mann frei.

Die bundesdeutsche Justiz schien damals gar nicht verärgert darüber zu sein, daß der NPD- Funktionär im Ost-Knast verschwunden war. Ein Ermittlungsverfahren leitete sie gar nicht erst ein. Das hätte sie aber tun müssen, belehrte sie jetzt das Schöffengericht des Magdeburger Amtsgerichts und stellte das Verfahren gegen den Stasi-Offizier, der damals den Plan ausgeheckt hatte, wegen Verjährung ein.

Die Staatsanwaltschaft hatte den heute vierundsechzigjährigen ehemaligen Chef der Stasi-Kreisdienststelle Schönebeck, Wilhelm U., nach dem Strafgesetzbuch der DDR wegen Menschenhandels angeklagt. Aber das Schöffengericht war der Meinung, daß auch das alte BRD-Strafrecht für die Tat einen eigenen Paragraphen hat. Verschleppung nämlich, einen Straftatbestand, den die westdeutsche Justiz eigens für solche Fälle geschaffen hatte. Und der müßte auch hier greifen, fanden die Richter gestern. Hätten die BRD-Staatsanwälte nach der Entführung von Werner K. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, auch ohne der verantwortlichen Stasi-Mitarbeiter habhaft werden zu können, dann hätte man zum heutigen Zeitpunkt eine „Unterbrechung der Verjährungsfrist“ zugrunde legen können, fanden die Richter.

Doch ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gibt es auch keine Unterbrechung der Verjährungsfrist. Die ist vor drei Jahren abgelaufen, und Wilhelm U. verließ das Gericht gestern als unbescholtener Mann. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Entscheidung Rechtsmittel angekündigt. Sie will Wilhelm U. verurteilt sehen und bemüht erneut das Oberlandesgericht. Eberhard Löblich

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