Neuer Zeuge packt aus

■ Polizeiskandal: Weitere Ermittlungen aufgenommen und „bohrende Fragen gestellt“

Der Hamburger Polizeiskandal ist keineswegs ausgestanden: Nach taz-Informationen ist gegen den Ex-Reviereinsatzleiter der Wache 11 (Kirchenallee), Christoph St., ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil er eigenmächtig und rechtswidrigerweise Jagdeinsätze auf Ausländer angeordnet haben soll. St. ist inzwischen versetzt worden.

Er war vor einem Monat anonym von einem Beamten via NDR-Hamburg-Welle geoutet worden. Der Polizist berichtete, daß St. als Einsatzleiter des Reviers hinterm Hauptbahnhof mehrfach in den Morgenstunden „ohne Abstimmung mit der Polizeiführung“ und „unangemeldet in eigener Regie“ Einsätze initiiert hatte. Mehrere Streifenwagen der Wache und des Reviers Klingberg seien dann auf Tour geschickt worden, um „Ausländer und Bimbos“ auf den Hansaplatz zu treiben. Polizei-Insider nennen solche Aktionen „Fischen mit ganz großen Treibnetzen.“

Inzwischen hat sich nach taz-Informationen ein weiterer Polizeibeamter gemeldet, der die Darstellungen der NDR-Hamburg Welle bestätigt und bereits vor Staatsanwalt Martin Köhnke ausgesagt hat. Der Ankläger soll sogleich weitere Polizeizeugen zur Aussage zitiert haben, die teilweise über die bohrende Frageweise des Anklägers „verblüfft“ waren, weil sie so etwas bei anderen Vernehmungen – wenn Kollegen beschuldigt waren – noch nicht erlebt hatten.

Die Justizbehörde, die eine Sonderkommission für den Ermittlungskomplex Polizeiskandal eingerichtet hat, wollte diese Informationen gestern nicht bestätigten, da mittlerweile eine Nachrichtensperre verhängt worden ist. Sprecher Jürgen Weinert: „Es werden derzeit keine Auskünfte gegeben, insbesondere was Fakten und Namen angeht, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.“

Weinert bestätigte allerdings, daß „mit Hochdruck ermittelt“ werde und die Behörde hofft, schon bald Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Auch die Arbeit der Ermittlungsgruppe „Altfälle“ komme gut voran. Wie berichtet, hatte Justizsenator Klaus Hardrath im Zusammenhang mit dem Polizeiskandal die Überprüfung aller Ermittlungsverfahren angeordnet, die gegen BeamtInnen der Wachen Kirchenallee und Lerchenstraße sowie des Einsatzzuges Mitte 1 in den vergangenen Jahren anhängig waren. Damit soll geklärt werden, ob frühere Ermittlungen, so Weinert, „zu schnell oder zu Unrecht eingestellt wurden.“

Und auch hier könnte St. Ärger bekommen. Nach taz-Informationen soll nämlich auch der Fall Jörg Mehnert neu aufgerollt werden. Der Wissenschaftler war Silvester 1989 von Beamten der „16E“-Schicht des Revier Lerchenstraße auf dem Schulterblatt zusammengeschlagen und verletzt worden. Leiter der „E-Schicht“ war Christoph St..

Das Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt ist zwar damals von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, zivilrechtlich war die Polizei allerdings zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an Mehnert verurteilt worden.

Kai von Appen