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„Planmäßige Reparatur“

Für die Moskauer Kontrollbehörden ist der Ölsee in der Autonomen Republik Komi nur ein „Vorfall“, keinesfalls eine Katastrophe  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Erst durch westliche Medien hat Rußlands Öffentlichkeit von einer Ölkatastrophe bei Ussinsk im hohen russischen Norden erfahren. Seither sind einheimische Experten bemüht, die kursierenden Daten der Verpestung in der Republik Komi zu korrigieren. Ist man geneigt, den offiziellen Angaben Glauben zu schenken, flossen 14.000 Tonnen Öl in die Sümpfe der Tundra 100 Kilometer südlich des Polarkreises. Amerikanische Quellen sprechen dagegen von 280.000 Tonnen.

Der stellvertretende Leiter des Pressezentrums im Moskauer Ministerium für Energiewirtschaft, Jurij Nogodkow, nannte die Reaktion westlicher Massenmedien „in keiner Weise angemessen“. Die ausgetretene Menge sei um das 20fache übertrieben. „Die Umwelt ist wichtig, aber Katastrophen passieren eben.“ Die Reaktion, mutmaßte Nogodkow, könne damit zusammenhängen, Rußland womöglich die Schuld an der Verschmutzung des Nordmeeres in die Schuhe schieben zu wollen. Schließlich fließt die Petschora in die Barentssee.

„Seit zwei Tagen habe ich kein ruhiges Leben mehr“, stöhnt ein verantwortlicher Mitarbeiter der Zentralen Verwaltung, die von Moskau aus das Pipelinesystem überwachen soll. „Nur weil ein englischer Korrespondent etwas sah. Es ist keine Katastrophe, lediglich Folgen einer ganz planmäßigen Reparaturmaßnahme.“

Die geborstene Pipeline in Komi zähle nicht zu den Ölmagistralen, sie diene allein der Industrieversorgung und werde direkt von dortigen Stellen überwacht. Das würde den völlig maroden Zustand erklären. Anders als Magistralen, die über die Rohstoffexporte Devisen einbringen, werden die Industrielinien noch nachlässiger gewartet. Reparturarbeiten an der Pipeline wurden im August aufgenommen. Insgesamt sollten vier Kilometer Röhren ausgewechselt werden. Seit Februar kam es wiederholt zu „Vorfällen“ an dem 42 Kilometer langen und 18 Jahre alten Röhrensystem.

Nach Angaben des Betreibers, der Komineft (Komi-Ölgeschäft), habe das Unternehmen seit 1988 kontinuierlich vor größeren Vorfällen gewarnt, ohne bei Verantwortlichen auf offene Ohren zu stoßen. Immerhin befinden sich 642 Förderstellen in dieser Region. Dem Chef der Komineft, so schien es in einer ersten Stellungnahme, taten vor allem „die riesigen Verluste“ leid.

Inwieweit auch nach Bekanntwerden der Lecks noch Öl durch die Pipeline gepumpt wurde, darüber liegen widersprüchliche Aussagen vor. Da in ersten Meldungen von „heißem Öl“ die Rede war, läßt sich vermuten, daß der Ölhahn erst sehr spät zugedreht wurde. Wegen der Frosttemperaturen im Norden muß das Öl, um fließfähig zu sein, einige Grade über Lufttemperatur erwärmt werden. Während der Reparaturen wurde das Öl aus der Pipeline in ein Notreservoir geleitet. „Alles war nach Plan verlaufen“, so Nogodkow, als am 20. September starke Regenfälle das aufgeschütte Erdreich des Reservoirs zum Bersten brachten. Schon vorher sollen Fischer in der Region über Öl in ihren Netzen geklagt haben.

Moskaus Katastrophenministerium vermittelt wie üblich den Eindruck, als handele es sich um einen Routinefall. Die 68 Quadratkilometer verseuchten Gebiets habe man gut unter Kontrolle. An die zehn Prozent des geförderten Öls sickern in Rußland grundsätzlich in die Erde. Kilometer große Öllachen sind in Sibirien keine Seltenheit. Um die Fließgeschwindigkeit zu verringern, meldete Conoco, sei das Öl in Brand gesteckt worden. Komineft wurde beauftragt bis zum 1. Dezember die gröbsten Folgen zu beseitigen, bis 1. April sollte alles verschwunden sein.

Sofort entbrannte der Streit um die Finanzierung. Komineft wirft Moskau vor, kein Geld bereitzustellen. Gäbe es keinen internationalen Druck, würde man wahrscheinlich die ganze Sache auf sich beruhen lassen. Der Ruf Rußlands in der „zivilisierten Welt“ beunruhigt mehr als eine kleine Umweltkatastrophe.

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