Hochschwellig -betr.: "Nur für Frauen", taz vom 22.10.94

Ich bekomme immer Bauchschmerzen, wenn ich im Zusammenhang mit der Methadon-Substitution Sätze lesen muß wie : „...das Methadon-Substituierungs-Programm, das es den Heroin-Süchtigen ermöglicht, aus der Drogenszene auszusteigen und ihr Leben selbst zu organisieren.“ Das hört sich so schön an und macht Glauben an ein annäherndes Frieden-Freude-Eierkuchen-endlich-aussteigen-Können. Dabei ist es immer noch Tatsache, daß die Aufnahmekriterien viel zu hochschwellig angelegt sind. Es reicht nicht aus, „nur“ drogenabhängig zu sein, um ein Methadon-Programm aufgenommen zu werden, sondern es muß immer noch eine besondere medizinische Indikation (nach den NUB-Richtlinien) vorliegen, z.B. ein organischer Schaden, eine HIV-Infektion, chronische Hepatitis, Leberzirrhose, etc.. Frauen werden während der Schwangerschaft bis zu sechs Wochen nach der Entbindung substituiert. Danach heißt es wieder absetzen! Substituierende Ärzte bekommen das Methadon nur für eine begrenzte Zahl von Menschen bezahlt; der danach kommt, muß seinen Stoff selbst finanzieren. Und nach wie vor sind die Leute im Knast auf die Aktzepanz der dortigen Ärzte angewiesen. Nur wenige werden während der Haftzeit substituiert. Dabei ist festzustellen, daß Süchtige in den liberaleren Bundesländern wie Hamburg oder Bremen eine größere Chance haben, ins Substitutions-Programm zu kommen, da dort die Aufnahmekriterien etwas weiter gefasst sind. Nicht weit genug, um „einfache“ Drogenabhängigkeit als Aufnahmekriterium zu betrachten oder gar präventiv der Verelendung vorzubeugen. Auch dort muß das Kind schon in den Brunnen gefallen sein, um endlich etwas zu tun. Derweil sterben noch immer Menschen sinnlos. Es ist mir wichtig, daß auch dieser Aspekt beleuchtet wird. Dem Palette-Team wünsche ich von ganzem Herzen viel Erfolg, Kraft und viele Geldspenden.

Karin Amann, Waghäusel