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„Gesunde Mischung" für HIV-infizierte Kinder

■ Die erste Kindertagesstätte für Kinder aus aidskranken Familien wurde eröffnet

Anna, Thorsten und Lotte sind mit dem Aidsvirus infiziert. Zusammen mit 12 anderen Kindern haben sie jetzt einen Platz in einer Kita gefunden, die nach Angaben des Berliner Aids-Forum bundesweit die erste und einzige Kindertagesstätte ist, die ausschließlich Kinder aus aidskranken Familien betreut. „In der Gruppe haben wir eine ,gesunde‘ Mischung von HIV- infizierten, exponierten, aidskranken und gesunden Geschwisterkindern im Alter zwischen eineinhalb und neun Jahren“, sagt Gerda Hansen, Vorsitzende des Vereins Aids-Forum.

Nach einem Aidstest im siebten Schangerschaftsmonat erfuhr Annas Mutter, daß sie HIV-positiv ist. Alle Kinder von positiven Müttern werden positiv geboren. In manchen Fällen baut sich der HI-Virus innerhalb von zwei Jahren wieder ab. Das sind dann die sogenannten exponierten Kinder. Bei ihnen ist unklar, ob der Virus nicht doch irgendwann wieder aktiv wird. Anna blieb positiv. Ein ganzes Jahr hat sie im Krankenhaus verbracht. Heute, mit drei Jahren, kann sie kaum laufen.

Die neunjährige Lotte wurde zu früh geboren. Wegen einer schweren Anämie hatte man ihr damals Blutkonserven gegeben. Eine davon war mit dem Aidsvirus verseucht.

Auch der fünfjährige Thorsten hat die Infektion von seiner Mutter „geerbt“. Vor zwei Jahren starb sein Bruder an den Folgen von Aids. Vor wenigen Wochen seine Mutter. Für die Kinder sei es ganz wichtig, daß sie nicht vereinsamen. „Sie brauchen einen Ausgleich zu der von Krankheit und Tod, Trauer, Schmerz und Verdrängung belasteten Familiensituation“, sagte Gerda Hansen. Um Kindern und Eltern den Alltag zu erleichtern, hat der Verein einen Fahrdienst organisiert, der die Kinder morgens von zu Hause abholt, in die Schule oder Kita bringt, sie von dort wieder abholt, in die Kita fährt und abends wieder nach Hause bringt. „Wir versuchen die Kinder so lange bei den Eltern zu lassen, wie es irgendwie geht“, sagte Gerda Hansen. In eine normale Kita können die Kinder nicht mehr integriert werden. Ihre Eltern seien teilweise schon so geschwächt oder krank, daß sie die Kinder nicht mehr regelmäßig wegbringen können. Auch bräuchten die Kinder eine intensivere Zuwendung und Betreuung, als dies in einer normalen Kita der Fall wäre, sagt der Sozialarbeiter Giesbert Rimkus. Auch die vielen Arzt- und Therapietermine der Kinder können die kranken Eltern oft nicht mehr einhalten. Anders als in einer normalen Kita werden die Kinder hier auch medizinisch betreut. Außerdem werden Therapien angeboten wie Logopädie oder heiltherapeutisches Reiten.

Nach Angaben des Robert- Koch-Instituts gibt es in der Bundesrepublik 1.220 Kinder unter 14 Jahren, die durch einen positiven Aidstest aufgefallen sind. In Berlin sind 25 Kinder an Aids erkrankt und 320 infiziert. Berlin sei ein absolutes Ballungsgebiet. „Fast ein Viertel aller bundesweiten Aidsfälle konzentrieren sich auf Berlin“, sagte Edgar Muschketat vom Robert-Koch-Institut.

Wie jede andere Initiativ-Kita auch, finanziert sich die Aids-Kita über das Platzgeld des Senats. Pro Kind, pro Tag bekommt der Verein 31 Mark. Darüber hinaus seien sie natürlich auf Spenden und Sponsoren angewiesen, anders sei das nicht zu finanzieren. Die Eltern zahlen einen Beitrag von 75 Mark. „Die meisten Familien leben von Sozialhilfe, und wenn eine Familie zwei Kinder hier hat, ist das schon eine finanzielle Belastung“, erklärte Gerda Hansen.

Noch ist die Kita ein Provisorium. Zwei Räume hat das Aids- Forum in der Moabiter Ladenwohnung für die Kita freigeräumt. Erst im Dezember sind die Umbauten der neuen Kita in der Plantagenstraße mit luxuriösen 200 Quadratmetern abgeschlossen. Bis dahin brauchen die Kinder unbedingt andere Räume. Michaela Eck

Spenden und Hilfen sind immer willkommen. Aids-Forum, Bredowstraße 14 in Berlin-Moabit, Tel: 396 75 05. Bank f. Sozialwirts., Kto 3335301, BLZ 100 205 00.

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