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Die Voreingenommenen aus unserem Viertel

■ Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus gegen Veröffentlichung seines Romans

Berlin (taz) – Der ägyptische Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus hat sich gegen die Veröffentlichung seines umstrittenen Romans „Die Kinder aus unserem Viertel“ in der ägyptischen Presse gewehrt. In einem Interview mit der Regierungszeitung Al-Ahram befürchtete Mahfus, daß die Leser nicht unvoreingenommen an die Lektüre herangehen würden. Niemand habe ihm um das Recht der Veröffentlichung des Romans gebeten, beschwerte sich Mahfus.

Der Roman war vor wenigen Wochen erneut in die Schlagzeilen geraten, nachdem Mahfus von einem vermeintlichen Islamisten vor seiner Haustür niedergestochen wurde. Seitdem liegt der 83jährige schwerverletzt im Krankenhaus.

Die linksoppositionelle Wochenzeitung Al Ahali hatte am Mittwoch erste Auszüge des Romans veröffentlicht, am Samstag wollte die Regierungszeitung El Masa'a mit der Publikation beginnen.

Die eigentliche Kontroverse um den Roman liegt ganze dreißig Jahre zurück. In dem Epos läßt Mahfus in einer kleinen Gasse Kairos symbolisch sich die Menschheitsgeschichte von der Erschaffung über die Propheten bis hin zur modernen Wissenschaft abspielen. Seine Gassenbewohner ähneln den Propheten, und es ist gerade diese Nähe, die dem Werk zum Verhängnis werden sollte. Die islamische Azhar-Universität entdeckte in dem Roman „blasphemische Züge“ und sah die Würde der Propheten verletzt. Nachdem der Roman in den 60er Jahren als Folge in Al-Ahram abgedruckt worden war, wurde seine Veröffentlichung in Buchform nach massivem Druck der Al-Azhar-Universität auf den Index gesetzt.In den letzten Jahren wurde die Kontroverse erneut ausgegraben. Militante Islamisten setzten Mahfus vor fünf Jahren auf ihre Todeslisten. Ihr spirituelles Oberhaupt Omar Abdel Rahman erließ ein Fatwa gegen den prominenten Schriftsteller.

Anschläge auf Intellektuelle sind bisher selten im Land am Nil. Das einzige intellektuelle Todesopfer ist bisher der Islamistenkritiker Farag Foda geblieben, der vor zwei Jahren vor seiner Haustür erschossen wurde. Karim El-Gawhary

Kommentar Seite 10

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