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Urlaub auf Pump

■ Kredit für die Traumreise gibt es direkt beim Veranstalter

Im Reiseprospekt locken die Fluten der Karibik – in der Urlaubskasse herrscht Ebbe. Da weiß Klaus Gehrke von Air Marin Rat. Der Bonner Reiseveranstalter bietet seit Ende Juni Urlaub auf Pump – zum Abstottern in bis zu 47 Monatsraten. Das Holiday-Banking, wie das System der Urlaubsvorfinanzierung in der Branche genannt wird, ist auf dem Vormarsch. Nach der LTU-Tochter THR Reisen, Win Holidays und dem Anbieter von Gastarbeiterheimflügen, ETO, streckt seit Anfang August auch der Großveranstalter ITS in Köln seinen Kunden auf Wunsch die Urlaubskasse vor.

„Es wird soviel über Raten finanziert, warum nicht auch Reisen“, begründet die Marketing- Chefin von THR Tours in Düsseldorf, Petra Heß, den Einstieg ihres Unternehmens in das Holiday- Banking. Und ihr Kollege von Air Marin, Klaus Gehrke, pflichtet ihr bei: „Was ist an der Urlaubsfinanzierung so schlimm? Bei Kücheneinrichtungen und Unterhaltungselektronik denkt sich doch auch keiner mehr was dabei.“ THR, Air Marin, Win Holidays und ETO hätten bereits in den ersten Monaten zusammen rund 12.000 Reisen auf Raten finanziert, berichtet der Initiator des Holyday-Banking, der Kölner Marketingfachmann und Finanzierungsberater Dirk Seubert.

Im Auftrag der vier Unternehmen prüft er die Bonität der Kunden. „Die“, so berichtet Seubert, „stammen aus allen Schichten: vom Akademiker bis zum Facharbeiter.“ Der alleinverdienende Familienvater und der konsumfreudige Single stellten den Löwenanteil. „Der durchschnittliche Ratenkredit für Mittelmeerurlaube liegt bei 2.987, der für Fernreisen bei 5.975 Mark. Mittelmeerurlaube werden im Schnitt in 12, Fernreisen in 18 Monatsraten abgestottert“, berichtet Seubert.

Die Motive der Kreditkundschaft sind unterschiedlich. „Die einen wollen sich endlich mal ihren langersehnten Wunsch vom Traumurlaub erfüllen, andere haben die stressige Autofahrt nach Spanien satt, einige sehen beim Holiday-Banking die Möglichkeit, bei der Urlaubsplanung eins draufzusetzen: Karibik statt Mallorca“, erläutert Seubert. Außerdem folge der „Urlaub auf Pump“ einem gesamtwirtschaftlichen Trend: „Wer kann sich denn heute noch leisten, für den Urlaub zu sparen?“

Diese Einschätzung deckt sich mit aktuellen Marktuntersuchungen. „Urlaub“, so weiß Otmar Breitenbach, Marktforscher beim Frankfurter Reiseveranstalter DER, „wird heute kaum noch aus normalem Arbeitseinkommen bezahlt.“ Die meisten griffen bei der Urlaubsfinanzierung auf ausgezahlte Lebensversicherungen, Erbschaften, Mieteinnahmen oder Sparguthaben zurück, obwohl der Reisemarkt boomt.

Auf Skepsis stößt die geliehene Urlaubskasse bei Schuldnerberatern. Die in anderen Konsumbereichen verbreitete Ratenkaufmentalität produziert nach ihrer Ansicht schon genügend Opfer. Noch seien Urlaubsschulden bei den Ratsuchenden die Ausnahme, berichtet Ronald Kupferer von der Schuldnerberatung der Stadt Frankfurt. Sein Kollege Berd Sorge von der Frankfurter Schuldnerberatungsstelle der Caritas bestätigt das, verweist aber auf die hohe Dunkelziffer: „Wer weiß schon immer, ob von dem 20.000-Mark-Konsumentenkredit nicht 5.000 in einen Urlaub gesteckt wurden?“

An den Mythos vom barbezahlten Urlaub mag auch der Finanzierungsberater Seubert nicht mehr glauben. „Wenn man mal genau hinschaut, dann wurden eigentlich schon jetzt 50 Prozent der Urlaube auf Pump finanziert: durch überzogene Girokonten, Kreditkarten und Privatkundenkredite.“ So gesehen sei das Holiday-Banking eigentlich nichts Neues – „nur eben ehrlicher und kostentransparenter: Der Kunde weiß, was ihn der ,Urlaub auf Pump‘ wirklich kostet.“ Bei einem Karibik-Urlaub auf Pump zu 2.755 Mark bei 36 Monatsraten und 12,9 Prozent Zinsen sind das etwa 557 Mark. dpa

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