: Vom Feind zum Geschäftsfreund
■ Arabisch-israelischer Wirtschaftsgipfel in Casablanca / Israel will regionale Entwicklungsbank / Arabische Länder kommen ohne einheitliche Linie
Casablanca (taz/IPS/AFP) – Israels Außenminister Schimon Peres wollte auf keinen Fall zu spät kommen: Schon gestern flog er nach Casablanca, wo am Sonntag der arabisch-israelische Wirtschaftsgipfel beginnt. Für Israel ist die Konferenz extrem wichtig, hofft das Land doch auf ein Ende seiner Isolation. „Erstmals werden sich Dutzende israelischer und arabischer Geschäftsleute in aller Öffentlichkeit treffen“, schwärmte Peres. Auch viele Politiker werden erwartet.
Unterstützt von den USA, will die israelische Regierung ihren Plan einer regionalen Investitionsbank vorstellen. Nach dem Vorbild der Europäischen Entwicklungsbank soll sie Geld für Projekte in der gesamten Nahostregion bereitstellen. Sie soll über zehn Milliarden Dollar verfügen, eingezahlt von Israel, den arabischen Staaten, den USA, der EU und Japan. Außerdem hat die israelische Delegation noch ein Paket mit über hundert Projektvorschlägen im Gepäck. Dazu gehört ebenso ein „Autobahnnetz des Friedens“, das Israel, Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und die Palästinensergebiete verbinden soll, wie Staudämme am Jordan und am Jarmuk zur besseren Nutzung der knappen Wasservorkommen. Außerdem will die israelische Regierung mehr Touristen in die Region locken: An einer „neuen Riviera“ am Roten Meer und in Skigebieten auf den Golanhöhen sollen sich bald Erholungsuchende aus aller Welt tummeln.
Ohne einheitliche Linie kommen die Vertreter der arabischen Welt zu dem Gipfeltreffen in die marokkanische Hafenstadt. Während Jordanien im eigenen Interesse die Zusammenarbeit mit Israel ausbauen möchte und auch die Bankpläne unterstützt, besteht Saudi-Arabien zuvor auf einer umfassenden Friedensregelung im Nahen Osten. Auch Ägypten meldete Vorbehalte gegen die hochfliegenden israelischen Pläne an – offenbar fürchtet das Land ein Übergewicht des wirtschaftlich erfolgreicheren Nachbarn. Syrien und der von ihm abhängige Libanon lehnten es ab, Vertreter nach Casablanca zu entsenden.
Dennoch hat sich der Wunsch Israels nach einer Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen schon im Vorfeld der Konferenz ein Stück weit erfüllt. Die sechs Monarchien des Golf-Kooperationsrats (GCC) hatten Ende September beschlossen, wenigstens den indirekten Boykott gegen Israel zu beenden. Dieser richtete sich gegen ausländische Unternehmen, die Wirtschaftsbeziehungen zu Israel unterhalten. Israel setzt große Hoffnungen darauf, daß sich dieser Prozeß in Marokko fortsetzt.
Dennoch warnen Wirtschaftsexperten vor Illusionen über die Folgen einer vollständigen Aufhebung des Boykotts. Die hochtechnisierte israelische Wirtschaft sei nicht kompatibel mit der der weniger entwickelten Nachbarn, meinte der Chef der Staatsbank, Jacob Frenkel. „Ich glaube vielmehr, daß die Vorteile in einer Verbesserung der Atmosphäre liegen, die westliche Investoren anlockt.“ Zwar sei nicht damit zu rechnen, daß Vertreter großer Firmen wie Toshiba und Philips gleich Schlange stehen, meint auch die israelische Tageszeitung Yediot Aharanot. Aber es bestehe die Chance, daß Israel die führende Wirtschaftsmacht im Nahen Osten werde. aje
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