piwik no script img

Kein Brot in Polen

■ Präsident Walesa spricht zur Nation / Streit über Rücktritt des Außenministers

Warschau (taz) – Polens Präsident Lech Walesa hat in einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen „Rede an die Nation“ die Regierungskoalition aus Bauernpartei und Sozialdemokraten hart kritisiert. Sie treibe Reformen nicht voran, sondern bremse sie ab: „Polen erinnert an einen Wagen, der im Matsch steckengeblieben ist.“ Polen sei eine Demokratie, doch könne Demokratie gut oder schlecht sein: „Wenn man von der Demokratie nicht mehr Brot hat, heißt das, sie ist schlecht.“ Das Land müsse mit starker Hand regiert werden, und dies gehe nur mit Hilfe eines Präsidialsystems. Walesa kündigte in seiner Rede auch an, er werde sich nächstes Jahr erneut zur Wahl stellen. In ersten Stellungnahmen wiesen Politiker der Regierung Walesas Kritik zurück und erklärten, der Präsident habe damit gewissermaßen offiziell den Präsidentschaftswahlkampf eröffnet.

Der Regierung steht indessen ein weiteres Tauziehen mit Walesa ins Haus. Dieses Mal geht es um das Amt des am Donnerstag zurückgetretenen Außenminister Olechowski. Während die Führung der Bauernpartei um Premier Pawlak offenbar dazu tendiert, den Rücktritt anzunehmen, hat der Chef der Sozialdemokraten, Aleksander Kwasniewski, erklärt, er rate Pawlak davon ab, den Rücktritt anzunehmen. Ein Sprecher Walesas hatte erklärt, der Rücktritt sei nicht rechtskräftig. Olechowski kann nach der Verfassung nur von Walesa auf Antrag des Premierministers abberufen werden. Da Olechowski als enger Vertrauensmann Walesas gilt, ist es unwahrscheinlich, daß sich dieser darauf einläßt. Polens Premier bliebe dann nur die Möglichkeit, einen „geschäftsführenden Leiter“ des Außenministeriums zu ernennen, der zwar ähnliche Kompetenzen wie ein Minister hätte, aber nicht Walesas Zustimmung bedürfte. Klaus Bachmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen