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Künstler im Zeitgeist-Fluß

■ Eine Kunstaktion sollte das Spektakel "Der Krieg" des Happeningkünstlers HA Schult in St. Petersburg werden - es wurde nur eine peinliche Selbstinszenierung

Jammerschade, daß am Freitag abend nur etwa zweihundert Berliner zum Checkpoint Charlie gekommen waren, um eins der spektakulärsten Polithappenings unserer Tage mitzuerleben. Der Kölner HA Schult und seine zwei russischen T-80-Panzer in St. Petersburg hätten wahrlich ein größeres Publikum verdient. Dann wäre aus dem angekündigten „dramatischen Ereignis Krieg und Frieden“ eine schlechte Komödie geworden. Aber dafür fehlte das Publikum.

Schult hatte sich Schweres auf seine Künstlerschultern geladen. Auf dem „von der Historie getränkten Pflaster“ des Schloßplatzes in St. Petersburg sollten zwei russische Panzer die meterhohen Buchstaben „Der Krieg“, zusammengesetzt aus Lämpchen zum Magenspiegeln, auseinanderreißen. Die „zu Marmor erstarrten Panzer“ sollten die „Glut der Schrift“ zu „Lichtstaub“ werden lassen, „der im Kosmos verweht“. Um die etwa 1,5 Millionen Mark teure Selbstinszenierung zu finanzieren, hatte Schult, der Ende der 60er Jahre mit mehreren Müllaktionen die Konsumgesellschaft anprangerte, friedliebende Sponsoren gewinnen können, die offensichtlich zuviel Geld haben. Per Satellit wurde das gesellschaftsfähige Politspektakel um 24 Uhr Ortszeit auf Leinwände nach Berlin und New York und live im Fernsehen übertragen.

„Meine Aktion ist der Aufschrei eines Künstlers für den Frieden“, sagte Schult mit bewegter Stimme wenige Minuten vor der Zerreißprobe Panzer gegen Magenspiegellämpchen vor dem ehemaligen Winterpalais des Zaren. Eingehüllt in einen sternenübersäten Schal sprach er von dem „Künstler, durch den der Zeitgeist fließt“. Geimpft mit so viel Pathos vermochten weder die unscharfen Bilder auf der kleinen Leinwand am Checkpoint Charlie noch die großen Werbetafeln der Sponsoren das „Bild von traumatischer Überhöhung“ zu trüben.

Voller Erwartung nippten die Gekommenen, vorwiegend elegant gekleidete Herrschaften, an ihrem Glühwein. In der ersten Reihe verfolgten Rainer Hildebrandt, Chef des Museums am Checkpoint Charlie, und Klaus Landowsky, Fraktionschef der CDU und Mitglied des Arbeitskreises „13. August“, das Geschehen. Mit fast dreißigminütiger Verspätung war es dann endlich soweit: Ein Choral aus „Hunderten russischer Soldatenkehlen“, stellvertretend für den „Lärm des Krieges“, leitete das Zeremoniell ein. Die zwei T-80-Panzer heulten so laut auf, als würden sie ernst machen und jeden Moment den Platz vor der St. Petersburger Eremitage aufreißen. Jedoch: Viel Lärm um nichts. Die Ketten bewegten sich nur wenige Millimeter. Still und leise fielen die Buchstaben in sich zusammen und taten Schult nicht den Gefallen, wie Lichtstaub im Kosmos zu verwehen.

Stille auf dem Platz am Checkpoint Charlie. Einige wenige klatschten verunsichert. Rainer Hildebrandt bewunderte immerhin die „Courage“ des Künstlers, „auch wenn die Aktion selbst gescheitert ist“. Nach kurzer Zeit war der Checkpoint Charlie leer. Ob die Anwesenden auf dem Nachhauseweg „mehr über Krieg und Frieden“ nachdachten, wie es Schult sich gewünscht hatte? Ein Mann, der stolz mit seiner persönlichen Einladung wedelte, fand die Idee zwar „toll“ und die „moralische Intention lobenswert“. Aber das „kommerzielle Niveau“ sei doch wirklich das Letzte. In der Tat. In Widerlegung seiner eigenen Denkweise dachte der Kaufmann aber an nichts anderes als daran, wie man die Tausende jetzt geschichtsträchtigen Lämpchen wohl gewinnbringend verkaufen könnte.

„Nie haben Panzer etwas Sinnvolleres gemacht“, ist Schult von der Einzigartigkeit seiner Reiß- Aktion überzeugt. Doch da irrt Meister HA Schult. Die „Mutoid Waste Company“ hat im letzten Jahr vorgemacht, was man mit Kriegsgerüst anstellen kann. Die deutsch-englische Schrottkünstlerkommune mutierte zwei sowjetische MiG-21-Kampfflugzeuge zu buntbemalten „Peace Birds“, die als „Symbole der Massenvernichtung“ aus der „Asche des kalten Krieges auferstanden, zu Symbolen von Hoffnung und Harmonie“ wurden. Letztes Jahr Silvester zündete die Schrottkunstgruppe symbolisch die aus einer NVA-Kaserne geklauten MiGs auf dem Gelände des Tacheles.

Aber die Mutoid Waste Company hat sich längst aus dem Berliner Staub gemacht. Fünf Monate nach ihrer wirklich spektakulären Aktion hat sie sich samt ihren „Peace Birds“ in eine verlassene Russenkaserne im Wald zurückgezogen. Denn Berlin sei „out“ und „settle“ sich. Wie „gesettlet“ nicht nur Berlin ist, zeigt das selbstverliebte Schultsche Zerreißen des Wortes „Krieg“. Barbara Bollwahn

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