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Noch mehr Risse im AKW Würgassen

Ende für den Altreaktor an der Weser: US-amerikanische Experten entdeckten Schäden an der Brennstabhalterung / Ein Austausch der Bauteile ist kaum möglich  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Das endgültige Aus für das Atomkraftwerk Würgassen wird immer wahrscheinlicher. Am Wochenende teilte das für die Atomaufsicht zuständige Düsseldorfer Wirtschaftsministerium mit, der ostwestfälische Siedewasserreaktor werde „auf absehbare Zeit nicht wieder ans Netz gehen“.

Der Grund ist alarmierend: Die grassierende Rißepidemie in „austenitischen“ Stählen hat weitere sicherheitsrelevante Bauteile innerhalb des Reaktordruckbehälters befallen. Neben bereits vor einigen Wochen entdeckten Rissen im sogenannten Kernmantel fanden die aus den USA eingeflogenen Spezialisten der Firma Generel Electric jetzt auch Schäden im Außenring der oberen und unteren Kerngitterplatten. Diese Platten halten und führen die Brennelemente sowie die Abschalt- und Steuerstäbe des Atommeilers. Die Brennelemente müssen unter allen Umständen in ihrer bestimmungsgemäßen Lage bleiben, die Abschaltstäbe jederzeit frei beweglich in den Reaktorkern hineingefahren werden können.

Die Tiefe der Risse konnte nach Angaben des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums bisher nicht ermittelt werden. Weitere Prüfungen, die mit fernbedienten Ultraschallsensoren unter Wasser durchgeführt werden müssen, sollen darüber Aufschluß geben. Unter Experten herrscht jedoch schon jetzt Einigkeit darüber, daß die neuen „Befunde“ an die Substanz gehen. Auch strikte AKW-Befürworter, wie der Physiker Professor Hermann Unger von der Uni Bochum, verlangen den Austausch der „alternden Komponenten“. Der allerdings wäre auf der Welt ohne Beispiel. Der zylindrische Kernmantel ist über sechs Meter hoch und hat über vier Meter Durchmesser. Selbst wenn keine weiteren Schäden an anderen Bauteilen im Inneren des Reaktordruckbehälters aufgefunden werden und die Düsseldorfer Atomaufsicht einem solchen technischen Kraftakt zustimmen würde, wäre die Entscheidung bei PreussenElektra wohl offen.

Die Betriebswirte des Veba- Konzerns müßten abschätzen, ob sich der Neueinbau zentraler Bauteile, der Jahre in Anspruch nehmen würde, in den hochverstrahlten Altreaktor noch rechnet. Inzwischen beschäftigt die Rißkrankheit von Würgassen auch den Düsseldorfer Landtag. Mit einem Entschließungsantrag wollen Bündnis 90/Grüne die endgültige Stillegung des Meilers erreichen. Die sei „nach dem Atomgesetz nicht nur möglich, sondern sogar zwingend“, heißt es zur Begründung. Die Landesregierung hat angekündigt, sie wolle vor einer Entscheidung das Votum ihrer Gutachter abwarten.

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