: „Ich lebe meinen Traum in Kanada“
Als erste deutsche Lesbe wandert Elisabeth Nemes jetzt ganz legal nach Kanada aus um dort mit ihrer Liebsten zusammenzuleben / Sie erhielt Einwanderungserlaubnis aus Menschlichkeit ■ Von Eva Rhode
Berlin (taz) – Ihre Hamburger Wohnung ist leergeräumt, das Gepäck schon unterwegs. Elisabeth Nemes* wandert nach Kanada aus. Ihr künftiger Status: Immigrantin. Die 25jährige Hamburgerin weiß, was sie will: „Ich gehe, weil das die Chance ist, meinen Traum zu leben.“ Und dieser Traum heißt Mary Winter. Elisabeth Nemes ist die erste deutsche Lesbe, die mit offizieller Erlaubnis der Behörden zu ihrer Liebsten nach Kanada einwandern kann.
Was nun mit einer Auswanderung endet, begann ganz unspektakulär vor vier Jahren. Damals brach die reiselustige Geographie- Studentin nach Kanada auf, und verliebte sich dort Hals über Kopf in Mary Winter. Zunächst dachte sie gar nicht an was Ernstes. Erst als Elisabeth Nemes nach Hause zurückgekehrt war, zeigten sich neue Dimensionen: Telefonrechnungen schnellten in die Höhe, die Urlaubstage wurden knapp. Jede Mark floß ins nächste Flugticket nach Quebec. Das Schlimmste war jedoch die Unsicherheit. „Die begann mit dem Abflug und mit der Frage: Wird man mich einreisen lassen?“, erinnert sich Elisabeth Nemes, „und sie endete damit, daß wir uns fragten, wann und wo wir jemals in Ruhe zusammenleben könnten wie Heteropaare.“
Auf der Suche nach Möglichkeiten zusammenzuleben, diskutierten die beiden Freundinnen alles – von der Scheinehe mit Schwulen bis zur illegalen Einwanderung. „Aber das konnten wir nicht mit uns vereinbaren“, sagt Elisabeth. Von deutschen Botschaftsangehörigen bekamen sie auf die Frage nach Einreisemöglichkeiten für eine lesbische Partnerin nur die lapidare Auskunft: „Lesbisch? Da kann ich Ihnen nicht helfen.“
Die Lage schien aussichtslos, bis die beiden auf „Legit“ stießen. Die Organisation, deren Lettern für „Lesbian and Gay Immigration Task-Force“ stehen, will für lesbische und schwule binational Verliebte das Einwanderungsrecht erstreiten, wie es für Heterosexuelle schon lange gilt. Aber noch ist Kanada weit davon entfernt, einen solchen legalen Status für Homosexuelle anzubieten, im Gegenteil: „Das Wort lesbisch kam bei der Antragstellung nicht vor“, sagt Elisabeth Nemes. Ihre offizielle Einwanderungserlaubnis basiert allein auf „Erwägungen aus Menschlichkeit und Mitgefühl“ (on compassionate and humanitarian grounds). Diese Begründung kann seit 1993 auch dann geltend gemacht werden, wenn homosexuelle PartnerInnen außerhalb Kanadas leben. Erkennt die Botschaft diesen Tatbestand nicht an, gibt es kein Einspruchsrecht. Die einzige Chance – ein neuer Antrag im nächsten Jahr.
„Wir mußten nachweisen, daß es Mary als kanadischer Bürgerin schlechtgehen würde, wenn wir nicht zusammenleben dürfen“, erzählt Elisabeth. Diesen Beweis trat das lesbische Paar bei der kanadischen Botschaft in Seattle (USA) an. „Weil wir gehört hatten, daß die Leute dort nicht homophob sind.“ Mit den gesammelten Telefonrechnungen der vergangenen Jahre untermauerten die beiden ihren Antrag. Dazu kamen 30 Empfehlungsschreiben von Eltern, Freundinnen und Bekannten, die sich alle für die Beziehung aussprachen. Außerdem zeigten die beiden ihr Testament vor. Im Todesfall soll die eine die andere beerben. „Das ist schon komisch“, meint Elisabeth Nemes im nachhinein, „wenn du erst das Sterben regeln mußt, bevor du ein neues Leben anfangen kannst.“Foto: Christoph Busch
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