piwik no script img

Die Jahresversammlung der bekanntesten Umweltorganisation der Welt war mit Spannung erwartet worden: Im Vorfeld hatte es Streit um die Verteilung der Mittel und um die Mitspracherechte der „Drittwelt“-Länder gegeben Von Nicola Liebert

Der neue Frieden bei Greenpeace

Als „Don't Make a Wave Committee“ (Mach keine Welle) trat Greenpeace einst an die Öffentlichkeit und protestierte gegen Atomtests. Das war im Jahre 1969. Jetzt macht ein Streit Wellen im internationalen Umweltunternehmen Greenpeace: Von einem „Machtkampf“ schrieben die Medien, von einer „Krise, die die Organisation auseinanderreißen könnte“.

Es geht um Geld: Die UmweltschützerInnen von Greenpeace müssen sparen. Denn seit 1991 gehen die Spenden zurück, die weltweiten Einnahmen, die letztes Jahr noch 151,7 Millionen Dollar betrugen, sinken in diesem Jahr auf 135 Millionen. Auf der Jahresvollversammlung von Greenpeace International im tunesischen Tabarka, die vorgestern abend zu Ende ging, einigten sich die 105 VertreterInnen der Sektionen aus 32 Ländern jetzt auf Budgetkürzungen in Höhe von über drei Millionen US- Dollar (4,5 Millionen Mark).

Der Spendenrückgang sei durch die weltweite Rezession zu erklären, meint die Sprecherin von Greenpeace International, Blair Palese, nicht etwa durch erlahmendes Interesse an Umweltschutz. Aber in einzelnen Ländern gibt es noch andere Gründe. Beispielsweise in Kanada, dem Ursprungsland von Greenpeace: Dort führten Holzkonzerne eine beispiellose Kampagne gegen die Abholzungsgegner von Greenpeace – mit einem solchen Erfolg, daß Greenpeace in Kanada inzwischen geradezu ums Überleben kämpfen muß.

Streit um die Verwendung der Mittel gibt es, so der Sprecher von Greenpeace Deutschland, Jochen Vorfelder, jedes Jahr: „Wenn man hundert Greenpeacer auf einem Haufen hat – die sind doch gewöhnt, Kampagnen zu machen, die gehen heftig zur Sache.“ Doch diesmal war er erbitterter als sonst.

Greenpeace reagierte mit einem ungewohnten Schritt: Erstmals gab sich die 1971 gegründete Organisation einen auf drei Jahre ausgerichteten Ausgabenplan mit klaren Obergrenzen für den Finanzrahmen. Im nächsten Jahr steht Greenpeace International ein Budget von 28,6 Millionen Dollar zur Verfügung. Einzelne Ländersektionen haben darüber hinaus eigene Mittel zu ihrer Verfügung. 90 GreenpeaclerInnen sollen entlassen werden. Auf die Rücklagen von 56 Millionen Mark, die auch als Sicherheit für Schadenersatzklagen dienen sollen, will man nicht zurückgreifen.

Die Notwendigkeit von Kürzungen war schon seit dem Frühjahr bekannt – seitdem gab es innerhalb der Organisation Kontroversen. Der Spalt geht Vorfelder zufolge quer durch die gesamte Organisation. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein „Weiter wie bisher“ fordern. Man sei doch mit der bisherigen Strategie gut gefahren, finanzielle Einbußen seien auf äußere Einflüsse zurückzuführen und daher nur zeitweilig. Die andere Seite, zu der auch Greenpeace Deutschland zählt, orientiert sich an der Wirtschaft. Da nimmt der deutsche Geschäftsführer Thilo Bode kein Blatt vor den Mund: „Ich würde es begrüßen, wenn Greenpeace wie ein internationales Unternehmen funktionieren würde und nicht wie etwa die Vereinten Nationen.“ Die Politik der Organisation müsse aufgrund strenger finanzieller Vorgaben kühl durchgeplant werden.

Diese Position steht im Einklang mit den Ideen von David McTaggart, dem langjährigen Greenpeace-Chef. Greenpeace sollte so schlagkräftig sein wie ein multinationaler Konzern und deshalb über eine starke Exekutive verfügen. Der Australier Paul Gilding war im März als Geschäftsführer von Greenpeace International zurückgetreten, weil er sich mit Einsparungen im Sinne dieses Modells nicht durchgesetzt hatte.

Die personellen Querelen dürften sich nach dem Treffen in Tabarka beruhigt haben. Es wurden drei neue Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt, aus Großbritannien, Neuseeland und den Philippinen. Vorsitzende bleibt die Deutsche Uta Bellion. In seiner neuen Besetzung ist das oberste Leitungsgremium von Greenpeace stärker als bisher auf internationale Aktivitäten und vor allem die Belange der sogenannten Dritten Welt ausgerichtet, meint Palese. Der Rat wird nun einen neuen Geschäftsführer ernennen.

Heftiger war der „Nord-Süd- Konflikt“. Während einige Länder – wie Deutschland und die USA, Großbritannien, die Niederlande, Australien, Neuseeland, Schweden, die Schweiz, Österreich und Spanien – sich selbst finanzieren können, sind andere – von Argentinien über Japan bis zur Ukraine – für ihre Kampagnen auf Unterstützung von den reichen Ländern angewiesen. Das schlägt sich bei den Stimmrechten nieder: Nur die Selbstfinanzierer sind international stimmberechtigt, die übrigen Ländersektionen haben nur ein Vetorecht. Zustände wie bei der Weltbank – sagen KritikerInnen.

Schon im letzten Jahr wurden die Stimmrechte verschiedener Regionen ausgeweitet. Aber von der Forderung „ein Land – eine Stimme“ ist Greenpeace immer noch ein gutes Stück entfernt – das Thema wird im nächsten Jahr ganz vorne auf der Tagesordnung stehen. „Die meisten von uns wollen, daß sich das ändert“, sagt Blair Palese. Aber „so ist die reale Welt. Man kann nicht Entscheidungen darüber treffen, wo man aktiv ist, ohne sich darüber im klaren zu sein, woher das Geld dafür kommt.“

Und da das Geld im wesentlichen aus den reichen Ländern des Nordens kommt – Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und die USA zahlen 90 Prozent des Etats von Greenpeace International –, liegt die Befürchtung nahe, daß von den notwendigen Kürzungen die Länder des Südens und wohl auch des Ostens stärker betroffen sein würden. Und tatsächlich: Greenpeace Deutschland, das seit einiger Zeit wieder steigende Einnahmen verzeichnet, ist von den Sparbeschlüssen zum Beispiel überhaupt nicht betroffen.

Sprecher Vorfelder erklärt dies damit, daß hierzulande ja bereits gekürzt wurde. Zehn Prozent der MitarbeiterInnen habe man längst schon selbst entlassen. Die Deutschen werden auch ihren Beitrag für Kampagnen in anderen Ländern nicht vermindern: Von den in diesem Jahr voraussichtlich eingenommenen 60 Millionen Mark sollen wie bisher etwa 12 bis 13 Millionen überwiesen werden.

Die Einsparungen sollen die internationalen Kampagnen auch möglichst wenig betreffen, drei Viertel des Geldes stehen künftig den Campaignern zur Verfügung. Dafür soll die Verwaltung gestrafft werden, und es gibt eine Konzentration der Aktivitäten.

Künftig gibt es vier Kampagnenfelder: die chemische Industrie und Giftmüll, Artenschutz in Wäldern und Ozeanen, Klimaschutz und Aktionen gegen Atomkraft und Atomwaffen. Das soll den Verwaltungsaufwand deutlich vermindern. Auch regional will man sich spezialisieren; so soll vor allem Asien im Vordergrund stehen, weil dort die rapide Industrialisierung zur besonderen Gefahr für die Umwelt wird. Gespart wird auch, indem beispielsweise die Kampagne gegen Kahlschlag auf Kanada und Amazonien beschränkt wird. In Gegenden, wo Greenpeace selbst nicht mehr sitzt, soll verstärkt mit örtlichen Gruppen kooperiert werden. Außerdem möchte Greenpeace künftig aus der Ecke des ewigen Neinsagers heraus. Proteste wird es immer geben, betont Palese. Aber darüber hinaus will man mehr Alternativen bieten. Die deutschen Greenpeacler seien mit ihrem FCKW-freien Kühlschrank vorausgegangen. Jetzt plant Greenpeace ein internationales Solar- Projekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen