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Es ist alles da, was allen eben so gefällt

■ Das erste Berliner Kindermusical-Ensemble zeigt sich geschickt und klischeehaft

Ein echtes Gespenst geht um in Prenzlberg und macht dem Häuserspekulanten und bösen Großkapitalisten Bosnik die Hölle heiß. Der ganze Kiez wird ordentlich aufgemischt, bis das Gespenst – mit bürgerlichem Namen Karoline – endlich einen fairen Mietvertrag bekommt. Klingt wie Agitprop- Theater und sieht aus wie ein Auftritt des Fernsehballetts.

Die Schritte der kleinen Ballettratten sind präzise einstudiert, eine voluminöse Licht- und Tonanlage bewältigt reibungslos einen immensen Aufwand, sieben kleine Zwerge hüpfen brav hinter Schneewittchen her, schnurrende Verwandte der Hamburger „Cats“ schleichen durch die Kiez-Gassen, und die beiden Kinderbanden, die der fiese Bosnik gegeneinander aufhetzt, benehmen sich, als hätten sie gerade noch in der West Side Story herumgealbert.

Und obwohl ständig dichte Nebelschwaden aus der Maschine über die Bühne wabern, wird schnell klar, worum es wirklich geht, wenn Eisdielen-Besitzerin Stella auftritt. Die schiebt den Eiswagen mit dem großen roten Signet des Sponsors an den Bühnenrand und intoniert fröhlich „Eis ist für alle da“. In der Pause dürfen dann auch alle Eltern für ihre aufgeklärten Sprößlinge die Leckerei am Stiel käuflich erwerben.

Ein bißchen scheint den Autor und Regisseur Volkmar Neumann aber doch das schlechte Gewissen geplagt zu haben. Er weiß nämlich, daß Eis nicht überall auf der Welt zu den Grundnahrungsmitteln von Kindern zählt. Also hat er noch fix eingefügt: „Auch Brot ist für alle da, für die Kinder in Afrika, für alle Menschen auf der Welt...“. Da der Berliner Kurier ebenfalls zu den Geldgebern zählt, ist eine der tragenden Rollen ein Zeitungsjunge.

Neumann läßt in der Neuinszenierung seines Musicals „Wohin mit dem Gespenst?“ im Haus am Köllnischen Park (Erstaufführung 1992 im Friedrichstadtpalast) mehr als hundert detailfreudig kostümierte Kinder aus Berliner Musik- und Tanzschulen durch die Kulissen des „Linie-1“-Ausstatters Mathias Fischer-Dieskau tanzen und singen. Gespenster, Eis, Zirkus, Märchen, Gerechtigkeit – alles, was Kinder gerne mögen, wird für das Musical in eine Geschichte mit süß kostümierten kleinen Fröschen, Clowns und Minimäusen akkurat verpackt (so wie nun wiederum die Eltern das gerne mögen) und mit ein paar kritisch-pädagogischen Widerhaken versehen.

Kein Wunder, daß alle so einen Spaß haben und zum guten Schluß glücklich und aufgeregt in ihren Sesseln zappeln: Die Guten haben gesiegt, und alle Kinder dürfen mitsingen. Sogar der Kapitalist bekommt ein Eis, denn Eis ist für alle da, und der Sponsor fabriziert ja auch genug davon. Regina Weidele

„Wohin mit dem Gespenst“, Kindermusical der Show Company Berlin (ab 6 Jahre), bis Ende Dezember im Haus am Köllnischen Park (6–7), Mitte.

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