Teure „Überreaktion“

■ 1000 Mark Strafe für Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß

Der Nazi-Brandanschlag von Solingen im Juni 1993 war mit fünf Toten der bislang schlimmste in Deutschland. Auch in Hamburg-St. Pauli kam es danach zu teilweise hitzigen Diskussionen zwischen deutschen und ausländischen Bewohnern. Daran beteiligt Anita K., die gestern vom Altonaer Amtsrichter Niels Jöhnk wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß zu einer Geldstrafe von 1000 Mark (100 Tagessätze a zehn Mark) verurteilt wurde – zahlbar in Raten zu je 40 Mark ab Januar 1995.

Am Pinnasberg schien die Stimmung in den Tagen nach Solingen besonders gereizt gewesen zu sein – zumindest aber Anita K. Die damals 31jährige Mutter von drei Kindern, die inzwischen von ihrem Ehemann getrennt lebt und die Scheidung eingereicht hat, war mit einer Türkin in Streit geraten, in dessen Verlauf Anita K. „als Nazi-Sau“ tituliert wurde. K. ging zu ihrer Wohnung, die knapp fünf Minuten entfernt lag, zurück – wollte sich jedoch nicht beruhigen. Zu Nachbarn soll die Sozialhilfeempfängerin anschließend gesagt haben: „Im zweiten Weltkrieg wurden die Juden vergast, jetzt können ruhig die Türken abgeschlachtet werden.“

Hausbewohner Jürgen Sch., dessen Vater von den Nazis umgebracht worden war, konnte nicht glauben, was K. von sich gegeben hatte und zeigte diese an. Ein Strafbefehl in Höhe von 2000 Mark (100 Tagessätze a 20 Mark) folgte, gegen den die stämmige Frau („Ich habe nichts gegen Ausländer“) Einspruch erhob.

In der gestrigen Verhandlung bestritt K. ihre Aussage nicht, wollte sich jedoch herausreden: „Das war eine Überreaktion aus Verärgerung.“ Doch damit kam sie bei Richter Jöhnk nicht weit: „Ist es nicht entsetzlich, so etwas zu sagen?“ Dennoch folgte er Oberstaatsanwalt Jürgen Detken, die zuerst verhängte Geldstrafe aufgrund K.s wirtschaftlicher Lage zu halbieren. Daß K. das Urteil als „bleibenden Denkzettel“, so Jöhnk, verstehen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Mehr als ein dahingefloskeltes „Es tut mir leid“ war für K. an sichtbarer Reue nicht möglich. Leider. Clemens Gerlach