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„Die PDS steht mir näher als die SPD“

■ Interview mit der neuen Landesvorsitzenden der Bremer Jusos, Claudia Weigelt / „Kapitalisten höher besteuern“

Die 22jährige Studentin Claudia Weigelt ist neue Landesvorsitzende der rund 200 Bremer Jusos. Sie ist seit 1988 Mitglied der SPD und arbeitet zur Finanzierung ihres Studiums der Behindertenpädagogik als Altenpflegerin in Bremerhaven.

taz: In Deiner ersten Erklärung heißt es, die Jusos müßten sich „weitestgehend von der Parteilinie lösen“, um überleben zu können. Warum bleibst Du dann in der SPD?

Claudia Weigelt: Weil für mich die SPD immer noch die Partei ist, wo Arbeiter sich organisieren. Und es ist eine Kraft, wo Jugendliche sich politisieren können. Wenn die Jusos sich nicht nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigen würden, dann könnte man auch Leute überzeugen.

Das heißt, Du willst die Partei benutzen, um an Leute heranzukommen und sie dann aus der Partei herauszuziehen?

Ob ich sie herausziehen will, weiß ich nicht. Bei mir ist Politik immer kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Deswegen bin ich auch bei der Sozialistischen Alternative organisiert.

Aber aus Sicht der SPD wäre es doch naheliegend, Dich auszuschließen. Denn Du willst die Partei doch bloß für eigene Zwecke benutzen.

Ja, sie haben es auch schonmal versucht, uns auszuschließen. Aber die Jusos waren in der Partei schon lange immer in der Opposition und haben ihre Meinung kundgetan. Und das sollten sie auch weiterhin tun.

In Deiner Erklärung heißt es auch, die Jusos würden „gegen jede weitere Sparmaßnahme des Senats“ auftreten. Soll der Bremer Staat lieber noch mehr Geld bei den Banken aufnehmen, für das unsere Kinder dann Zinsen zahlen?

Ich frage mich erstmal: Wenn man die Sparmaßnahmen weiterdenkt, wo soll das hinführen? In Bremerhaven gibt es sowieso kein großes Angebot, und wenn man dann auch noch die Schwimmbäder dicht macht, ist ein Stadtteil völlig tot. Sparpolitik kann nicht auf Kosten der sozial Schwachen ausgetragen werden. Es muß Druck auf Bonn ausgeübt und das Geld muß da geholt werden.

Glaubst Du daran, daß das funktioniert?

Ja, denn wie will man das anders machen? In Bonn müssen sie eben die Kapitalisten höher besteuern. Wo soll denn die Sparpolitik sonst noch hinführen?

Man könnte ja auch in der Wirtschaftsförderung ein paar hundert Millionen einsparen, zum Beispiel die für eine neue Fischereihafenschleuse in Bremerhaven.

Na ja, da hängen doch Arbeitsplätze dran. Wenn größere Schiffe noch nach Bremerhaven kommen sollen, dann muß die Schleuse erweitert werden. Man kann ja nicht auf die Straße gehen und sagen, ich bin gegen die neue Schleuse. Dann werden die Leute, deren Arbeitsplätze da betroffen sind, bestimmt nicht gerade sagen: Das find' ich toll, da mach' ich mit.

Du willst ran an die Leute in den Betrieben?

Ja. Wir haben Flugblätter vor dem Motorenwerk verteilt. Und wir versuchen, uns an den Betriebsrat zu wenden. Und bei der Schichau-Seebeck-Werft gibt es einen Arbeitskreis junger Arbeitnehmer, mit dem wir uns ab und zu treffen.

Wollen die was von Euch wissen?

Der Arbeitskreis ja. Die Betriebsräte in letzter Zeit nicht so. Vor zwei Jahren waren wir mal auf einer Betriebskonferenz gegen Stellenabbau. Aber ich denke, es ist wichtig, mit denen in Kontakt zu bleiben.

Du bezeichnest Dich als Marxistin. Warum?

Ich will den Sozialismus erreichen, eine Gesellschaft, in der Leute demokratisch in den Betrieben abstimmen und bestimmen, was für ihre Bedürfnisse sinnvoll ist. Und nicht nur alle vier Jahre ein Kreuz machen, und dann machen sie da oben sowieso, was sie wollen.

Was hat das mit Marx zu tun?

Ich bin theoretisch nicht so bewandert. Ich hab' mal ein kleines Buch von Marx gelesen, wie heißt das...

Das Kommunistische Manifest?

Ja genau. Und ich weiß, daß es in dieser Gesellschaft nicht möglich ist, sinnvoll zu produzieren, weil es immer um Profit geht. Und wenn Profit im Spiel ist, dann läßt man die Umwelt versauen.

Warum gehst Du mit dieser Haltung nicht zur PDS?

Die PDS steht mir im Grunde näher als die SPD. Aber in Bremerhaven könnte ich da nichts bewegen. Das ist hier im Westen ja was anderes als im Osten.

Aber die PDS stellt als Oppositionspartei eine echte Alternative dar. Sie kämpft für die Interessen der Bevölkerung. Sie will Arbeitsplätze schaffen, sie will in sozialen Einrichtungen mehr machen. Sie ist da schon fortschrittlich.

Fortschrittlich ist man, wenn man Fortschrittliches fordert?

Ja, in meinem Sinne Fortschrittliches. Ein Atomkraftwerk ist für mich nicht fortschrittlich.

Fragen: Dirk Asendorpf

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