: Jenseits der Safari-Idylle
■ Der Fotoband "In Afrika" vermittelt den Alltag ohne Cholera und Krieg
Dem Zynismus der Informationsgesellschaft, der heute Somalia vergessen läßt und morgen Ruanda zu den Akten legt, kann der literarisch Reisende ein Gutes abtrotzen: er bietet auch manchmal einen Blick auf die afrikanische Wirklichkeit jenseits von Katastrophenmeldung und Safari-Idylle.
Tradition und postkolonialer Traditionsverlust gehen eine manchmal seltsame, oft elende, oft faszinierende Mischung ein. Diese Mischung fängt der Band „In Afrika“ von Ilija Trojanow und Michael Martin treffend für Augen und Ohren ein: mit farbigen Fotos in riesigem Format, den Texten, auf Packpapier gedruckt, und einer CD aus Peter Gabriels Label „Real World“ mit ausgewählter Musik aus ganz Afrika. Text, Bild und Musik sind aufeinander abgestimmt, die Gestaltung entspricht der Aussage: karge Schönheit, leuchtende Farben, lebendiges Erzählen.
Entgegen dem Klischee vom Kontinent ohne Hoffnung – aber kein Klischee ohne ein Körnchen Wahrheit – möchten die Autoren zeigen, „daß Afrika nicht eine Nullnummer in den Bilanzen des Internationalen Währungsfonds ist, sondern vielleicht der Teil der Welt, in dem es noch am meisten zu entdecken gibt – ob musikalisch, literarisch oder künstlerisch“.
Trojanow und Martin haben mit Fotos und Texten ein Dokument der Kreativität Afrikas geschaffen. „Die Kinder sind kreativ, wenn sie sich die fehlenden Spielzeuge selbst bauen. Die Mütter sind kreativ, wenn sie Wege und Mittel finden, die Familie zu ernähren, sich mit anderen Frauen zusammenzuschließen und neue Formen der Selbständigkeit zu entwickeln. Die Autofahrer sind kreativ, wenn sie mit Blechkisten fahren, die bei uns jeder Schrottplatz ablehnen würde. Die Musiker Afrikas, und dazu zählt fast die gesamte Bevölkerung, sind zu jeder Zeit, an jedem Ort kreativ“, heißt es in dem Buch.
Die CD versammelt deshalb auch nicht Beispiele unverfälschter Tradition, sondern Musik, die vom Austausch verschiedenster Stile lebt, und belegt damit Afrikas Beitrag zur sogenannten „Weltmusik“.
Trojanow, der selbst in Kenia aufgewachsen ist und sich als Mitherausgeber der Erzählungssammlung „Afrikanissimo“ (Peter Hammer Verlag) einen Namen gemacht hat, erzählt von seinen Reisen in ostafrikanische Länder. Er läßt dabei vor allem die Menschen, denen er begegnet, zu Wort kommen. Und er stellt einen Bezug zu den Menschen dar, ohne neugierig und aufdringlich in deren Kochtöpfe zu linsen. Er bewahrt bei aller Nähe Distanz und Respekt.
Für Afrikaner ist Afrika weder exotisch-bunt, noch hat es irgendwie malerisches Flair – eine solche Sichtweise bleibt Europäern vorbehalten. Der Band biedert sich nicht an, er macht auch aus der weißen Perspektive keinen Hehl. Aber er vermittelt etwas von Afrika, weckt Interesse, Respekt, vielleicht auch Sympathie. Stefan Bruns
Michael Martin (Fotos) und Ilija Trojanow (Text): „In Afrika. Mythos und Alltag Ostafrikas“. Marino-Verlag München, 132 S., Großformat, geb., Fadenheftung, mit CD-Sampler (60 Min.), 128 DM
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