UNO in der Bosnien-Frage paralysiert

■ Im Sicherheitsrat hat die von den USA geforderte Aufhebung des Bosnien-Waffenembargos kaum Chancen

Wenn der UN-Sicherheitsrat ab Montag erneut über Bosnien berät, droht den USA die erste Abstimmungsniederlage seit den siebziger Jahren. In der Nacht auf gestern stimmten zwar 99 Staaten in der UN-Generalversammlung für die von Washington eingebrachte Empfehlung, Bosnien von dem Waffenembargo gegen Ex-Jugoslawien auszunehmen – aber die Chancen stehen schlecht.

Denn das höchste UN-Gremium ist der Sicherheitsrat, und von seinen 15 Mitgliedern hatten neben den Vertretern Washingtons lediglich Dschibuti, Oman, Pakistan und Ruanda für die Resolution gestimmt. Zudem gab es in der Generalversammlung zwar keine Gegenstimme, aber 61 Enthaltungen, darunter die anderen zehn Sicherheitsrats-Mitglieder sowie alle übrigen EU-Staaten. Damit scheint die im Sicherheitsrat notwendige Zustimmung von neun Staaten ausgeschlossen. Zumal die anderen vier ständigen Mitglieder mit Vetorecht – Rußland, Frankreich, Großbritannien, China – sich zumindest enthalten müßten.

Was die EU-Staaten angeht, ist Spanien eingebunden in die ablehnende Haltung der EU, die Deutschlands Botschafter von Rantzau vor der Generalversammlung noch einmal betonte. Die Tschechische Republik hat sich ebenfalls immer schon gegen eine offizielle Aufhebung des Waffenembargos ausgesprochen, denn die Profitmargen, die die Waffenfabriken des Landes seit Verhängung des Embargos mit illegalen und überteuerten Lieferungen an die bosnische wie die kroatische Armee machen, wären nach Aufhebung des Embargos nicht mehr zu erzielen.

Brasilien, Argentinien und Nigeria gehörten zwar im Dezember 1993 noch zu den 109 Staaten, die damals in der UNO-Generalversammlung für eine Aufhebung des Embargos gestimmt hatten (bei 57 Enthaltungen), doch die drei Länder, die eine Demokratisierung des Sicherheitsrates fordern und alle den Anspruch auf einen ständigen Sitz angemeldet haben, sind inzwischen äußerst verärgert über die USA. Und deren UNO-Botschafterin Madeleine Albright hatten schon Mitte dieser Woche in ihrer Rede vor der Generalversammlung rigoros ausgeschlossen, daß sich die USA in absehbarer Zeit auch nur auf eine schrittweise Reduzierung ihrer Privilegien im Sicherheitsrat einlassen könnten.

Umgekehrt ist im Rat aber auch keine Mehrheit für die Forderung Rußlands absehbar, die jüngsten militärischen Offensiven der bosnischen Regierungstruppen ausdrücklich zu verurteilen oder gar Luftangriffe der Nato anzufordern. Lediglich bei Großbritannien und Frankreich fand Moskau dabei Unterstützung. Damit ist das höchste UNO-Gremium in der Bosnien-Frage erneut paralysiert. Dasselbe gilt für die Bosnien-Kontaktgruppe, in der sich Deutschland zwar zusammen mit Rußland, England und Frankreich gegen die Aufhebung des Waffenembargos ausgesprochen hat, sich aber andererseits mit den USA gegen verstärkten Druck auf die bosnische Regierung stellte.

Trotzdem scheint die Clinton- Administration entschlossen, zumindest den Anschein außenpolitischer Prinzipientreue zu demonstrieren und dabei auch begrenzte diplomatische Konflikte mit Rußland einzugehen – nicht zuletzt mit Blick auf die Kongreßwahlen am nächsten Dienstag. Andreas Zumach, Genf