: Offene Krise im Kreml
■ Wirtschaftsminister Alexander Schochin tritt überraschend zurück
Moskau (AFP) – Die seit Wochen schwelende Regierungskrise in Rußland ist gestern offen zutage getreten: Aus Protest gegen die Personalpolitik von Präsident Boris Jelzin kündigte der Vizeregierungschef und Wirtschaftsminister Alexander Schochin überraschend seinen Rücktritt an. Die Berufung von Wladimir Panskow zum neuen Finanzminister könne er nicht akzeptieren, sagte Schochin vor Journalisten in Moskau. Die Entscheidung sei ohne seine Zustimmung erfolgt, obwohl er für die Koordinierung von Wirtschafts- und Finanzministerium zuständig sei. Jelzin hatte am Donnerstag abend Panskow per Dekret berufen, der nun den dramatischen Wertverlust des Rubels stoppen soll. Am „Schwarzen Dienstag“, dem 11.Oktober, hatte die russische Währung mit 3.926 Rubel für einen Dollar einen historischen Tiefstand erreicht. In der Folge mußten vier hohe russische Amtsträger ihre Posten räumen.
Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin habe ihm mangelnde Koordinationsfähigkeit vorgeworfen, sagte Schochin gestern in Moskau. Diese Kritik hätte er jedoch nur akzeptieren können, wenn die Ernennung des Finanzministers mit seinem Einverständnis erfolgt wäre. „Ich bedauere, daß mich Viktor Tschernomyrdin nicht vorher informiert hat“, sagte Schochin, der als gemäßigter Reformer gilt und zu den Stützen der Regierung Jelzin gehörte. Die politische Führung Rußlands werde durch Kompromisse gegenüber der Opposition in ihrer Handlungsfähigkeit blockiert. Ein Verbleib in der Regierung würde „gegen meine eigenen Prinzipien“ verstoßen, sagte Schochin.
Schochin koordinierte seit mehr als zwei Jahren die Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern über einen Teilerlaß der Auslandsschulden der ehemaligen Sowjetunion, die sich auf rund 80 Milliarden Dollar belaufen. Im Januar 1994 war er zum Wirtschaftsminister ernannt worden. Der neue Finanzminister Panskow löst Andrej Wawilow ab, der das Amt im Oktober geschäftsführend übernommen hatte.
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