: Gewaltlose Revolte im Abschiebeknast
■ Glasmoor: 41 afrikanische Häftlinge kehrten für Stunden nicht in ihre Unterkünfte zurück / Großalarm für Hamburgs Polizei Von Kai von Appen
Eine Meuterei von 41 Häftlingen im Abschiebeknast Glasmoor ist gestern nachmittag ohne Gewalt zu Ende gegegangen. Der von Gefängnis-Skandalen gebeutelte Staatsrat der Justizbehörde Helmut Raloff zeigte sich über den friedlichen Ausgang erleichtert. Raloff zur taz: „Es ist uns gelungen, die Inhaftierten durch intensive Gespräche und ohne Gummiknüppel zum Aufgeben zu bewegen.“
Die Mini-Revolte hatte am Sonntagmorgen begonnen. Nach dem Hofgang um 10 Uhr weigerten sich 41 der rund 80 Abschiebehäftlinge – vornehmlich Schwarzafrikaner und Algerier – wieder ihre Unterkünfte aufzusuchen, verharrten im Hof und tanzten zu afrikanischen Gesängen.
Die Anstaltsleitung reagierte hektisch. Unverzüglich wurden Feuerwehr, Rettungswagen und Polizei zur Anstalt beordert. Gegenüber den Medien verhängte Anstaltsleiter Harold Buck eine Nachrichtensperre, um das Knast-Gelände wurde ein Bannkreis von 200 Metern für Journalisten gezogenen. Die Justizbeamten an den Sperren waren äußerst aggressiv. Ein Beamter, der sich später mit der Dienstnummer „4711“ zu erkennen gab, forderte sogar den Fahrer eines Gefangenentransporters auf, einen Kameramann anzufahren: „Fahr ihm über die Füße, dann hat sich das Problem gelöst!“
In den Mittagsstunden zog die Justizbehörde immer mehr Polizei zusammen. 18 Streifenwagen der Hamburger Landesreserve, das Mobile Einsatzkommando, Bereitschaftspolizei und zahlreiche Rettungswagen fuhren vor der Anstalt vor.
Um 14.30 Uhr trat erstmals der Leiter des Strafvollzugamtes Friedrich-Diethmar Raben vor die Presse und bestätigte, was schon nach draußen zu den JournalistInnen durchgesickert war. Die Gefangenen forderten vor allem kürzere Haftzeiten und ein beschleunigtes Abschiebeverfahren. Eigentlich soll der Aufenthalt in Glasmoor für abgelehnte Asylsuchende nur wenige Tage, maximal wenige Wochen dauern. Einige Gefangene sind aber bereits seit April in den Containern inhaftiert. Grund eins: Da manche unter falschem Namen eingereist sind, ist es für die Ausländerbehörde oft schwer, Ersatzpapiere aus dem Heimatland zu beschaffen. Grund zwei: Länder wie Algerien weigern sich generell, Papiere auszustellen, weil sie ihre Landsleute – die meistens zur Opposition gehören – nicht wieder aufnehmen wollen. Auf freien Fuß setzen will sie die Hamburger Ausländerbehörde aber auch nicht.
Während einer improvisierten Pressekonferenz an der Straßensperre versicherte Behördenmann Raben, daß die Polizei bei einem Einsatz behutsam vorgehen werde. Raben: „Es handelt sich hier ja nicht um kriminelle Strafgefangene.“ Doch es kam nicht zum Eingreifen: Gegen 15.30 verstummten die afrikanischen Rhythmen plötzlich – die Gefangenenen kehrten in ihre Unterkünfte zurück, ohne konkrete Zusagen erhalten zu haben.
Polizei, Feuerwehr und Sanitäter rückten im langen Konvoi wieder ab – die Mini-Revolte war beendet, das politische Nachspiel wird wohl erst beginnen. GALier Manfred Mahr: „Diese Aktion hat wieder einmal bestätigt, was für katastrophale Zustände in Glasmoor herrschen.“ Und das Antirassistsche Telefon hat angekündigt, heute eine BesucherInnendelegation nach Glasmoor zu entsenden.
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