: Geisteswissenschaften hängen in der Luft
■ Die Neuordnung der ehemaligen DDR-Akademie droht am Geld zu scheitern
Nach der Zusammenkunft des bundesdeutschen Wissenschaftsrates am 10. November, so befürchten GeisteswissenschaftlerInnen der früheren DDR-Akademie der Wissenschaften, bleibt die Zukunft ihrer Forschungseinrichtungen weiter ungewiß. Weil die Bundesregierung nicht zahlen will, hängen die sieben geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte (FSP) auch knapp drei Jahre nach der Akademie-Abwicklung organisatorisch und finanziell in der Luft. Und die Chancen verschlechtern sich rapide: Bei ihren Koalitionsverhandlungen in Bonn beschlossen CDU und FDP die Gründung einer „Deutschen Akademie der Wissenschaften“, die den Großteil des vorhandenen Geldes aufsaugen dürfte.
Im Januar 1992 wurden auf Empfehlung des Wissenschaftsrates sieben geisteswissenschaftliche Forschungsschwerpunkte für Allgemeine Sprachwissenschaft, Europäische Aufklärung, Literaturwissenschaft, Modernen Orient, Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, Wissenschaftsgeschichte sowie Zeithistorische Studien etabliert. Von den einstmals 817 GeisteswissenschaftlerInnen der ehemaligen DDR-Akademie arbeiten dort heute noch 69 ForscherInnen – befristet bis Ende 1995. Verwaltet werden die Überreste von einer Förderungsgesellschaft, die die Max-Planck-Gesellschaft eigens als Tochtergesellschaft gründete. Die Forschungsschwerpunkte stellen nicht allein eine Arbeitsbeschaffung und Weiterqualifizierung für abgewickelte WissenschaftlerInnen dar, sondern sind auch als forschungspolitisches Modell zu verstehen, das die schon vor der Wende konstatierten Defizite der Forschung in den alten Bundesländern ausgleichen sollte.
Vorgesehen war zunächst die Überführung der FSP in Forschungszentren, die in einem unabhängigen, außeruniversitären Forschungsverbund kooperieren. Angesichts des Widerstands der Hochschulen jedoch, die um ihre eigenen Forschungspfründe bangten, erarbeitete die Max-Planck- Gesellschaft einen Alternativvorschlag, der die Integration der Zentren in eine oder mehrere Hochschulen vorsah. Das mittlerweile vorliegende Kompromißmodell des Wissenschaftsrates kombiniert zwar beide Ansätze, und alle Seiten sind zufrieden damit, doch jetzt fehlt das Geld zur Realisierung. Denn die Bundesregierung will nicht zahlen, obwohl sie mit 12Millionen von insgesamt 24 Millionen Mark billig davonkäme.
So sprach der SPD-Politiker Wolfgang Thierse auf der Pressekonferenz am vergangenen Freitag in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von einem „Dominoeffekt“: Wenn der Bund nicht zahlt, greifen auch die Bundesländer nicht in die Kasse. In diesem Fall verweigert die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die die Betreuung der Forschungszentren übernehmen soll, ebenfalls die Mittel. Solange die Finanzierung aber ungeklärt ist, wird sich auch der Wissenschaftsrat mit seinen Empfehlungen zurückhalten: Die Zeit verrinnt zusehends. Barbara Eisenmann
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