: Momper hat einen anderen Umgang mit Macht
■ Ohne solides soziales Fundament ist jede Vision für die Stadt vergebens, vertritt Sozialsenatorin Ingrid Stahmer, Konkurrentin Walter Mompers um die SPD-Spitzenkandidatur: "Mein Führungsstil ...
taz: Erst waren Sie einzige Kandidatin, jetzt tritt auch Walter Momper an. Ändert sich dadurch etwas?
Stahmer: Ich habe mit mehreren Kandidaten gerechnet. Die Partei muß mehrere Auswahlmöglichkeiten haben. Dafür wollte ich zur Verfügung stehen. Nicht erwartet habe ich, daß sich das Feld völlig wandelt und Staffelt nicht mehr kandidiert.
Sind Sie jetzt erschreckt und sagen, unter den neuen Bedingungen hätte ich das nicht gemacht?
Nein, das ist die gleiche Situation. Wenn ich mich entschieden habe, mich für eine gute Kandidatin zu halten, dann gilt dies, ganz gleich, wer jetzt ins Feld kommt. Es wird mit Walter Momper eine spannende Auseinandersetzung. Das macht mir nicht angst. Für die Partei ist das hervorragend und für die Stadt auch. In dieser Auseinandersetzung können wir als Partei zeigen, wie man um die besseren Ideen streitet, und zeigen, daß jetzt alle Parteimitglieder daran mitwirken.
Wird der Bürger das nicht unter der Rubrik verbuchen: die SPD streitet sich mal wieder?
Das kommt darauf an, wie wir uns verhalten. Ich werde anderen Kandidaten keine Klamotten um die Ohren schmeißen. Das interessiert die Menschen und auch die SPD-Mitglieder nicht. Wir dürfen nicht über die anderen herziehen, sondern sagen, was man selber kann und will. Dann muß es überhaupt keine Schlammschlacht sein. Es geht nicht um den Streit, sondern darum zu zeigen, daß ich mit dem anderen konkurriere und es besser ist, was ich sage.
Ist Ihre Person allein schon Programmatik genug: eine Frau und jemand, die sich um die sozialen Probleme und Ängste der Menschen kümmert?
Nein. Frau zu sein genügt überhaupt nicht. Ich habe aber auch im rot-grünen Frauensenat erfahren, daß Frauen über besondere Fähigkeiten verfügen und mehr aufnehmen, was die Bedürfnisse von Frauen, Familien und Kindern sind. Mit mehr Macht möchte ich dies umsetzen.
Programme haben auch immer etwas mit den Personen zu tun. Ich hole nicht irgendwelche Programmpunkte von fernen grünen Tischen her, sondern bin mit Ohren, Kopf und Herz bei den Menschen, ohne das Kleinkarierte zur großen Sache zu machen. Eine sozialpolitische Akzentuierung von Stadtpolitik heißt nicht, die Stadt mit sozialen Einrichtungen zu pflastern. Soziale Stadtentwicklung ist ein Konzept, das alle Aspekte in diesem Lebensraum umfaßt.
Daß Sie die sozialen Fragen anpacken werden, die mit dem gegenwärtigen Umbruch verbunden sind, daran zweifelt keiner. Für eine Weiterentwicklung der Stadt hin zu einer europäischen Metropole bringt das wenig.
Was wir brauchen, auch für Investoren, ist ein solides soziales Fundament. Die Menschen in Ost und West müssen diese existentiellen Ängste überwinden, wenn wir ein wirkliches Gemeinwesen werden wollen. Es geht um mehr als den materiellen Ausgleich, es geht um das Bewußtsein in einem vereinten Gemeinwesen. Wir müssen zeigen, was diese Stadt für die ganze Bundesrepublik tun kann. Das kriegen wir erst dann hin, wenn wir die Ängste der Menschen beantworten. Ebenso wichtig ist es, Investoren zu interessieren. Berlin darf aber kein Glitzerding werden, wo nur noch Manager und Regierungsbeamte herumeilen und alle anderen sich nicht mehr wohlfühlen können. Davon steht vieles in unserem Programm. Aber es gehört auch die Person als Programm dazu, um die Menschen dorthin mitzunehmen.
Jeder Politiker spricht vom Zusammenwachsen der Stadt. Was unterscheidet Sie von Momper?
Mit Momper wird es schwierig bei der Programmatik. Da sind wir uns sehr ähnlich. Deswegen kommt es darauf an, wie man etwas bewegt und welche Unterschiede bei der Umsetzung bestehen. Da hat sicherlich Momper einen anderen Stil als ich. Der liegt eher in der Frage des Umgangs mit Beteiligung und des Umgangs mit Macht und Einfluß.
Sie stehen dafür, den Leuten ihre Ängste zu nehmen – eine Vision ist das nicht.
Wir können die Leute nicht mit Visionen vollstopfen. Das war doch genau der Punkt von Olympia. Da schaufelt man eine angebliche Vision über die Existenzängste der Menschen. Aber wenn es nicht klappt, dann fällt man so richtig tief runter. Es gibt für mich die ganz schlichte sozialdemokratische Vision von gerechter Gesellschaft und der Würde des Menschen.
Staffelt hat auch vor der Partei kapituliert. Fürchten Sie diese intrigante SPD?
Angst habe ich nicht, aber gespannte Erwartungen. In dreißig Jahren habe ich aber auch erfahren, daß man in Auseinandersetzungen, bei der man offen sagt, was man will, die Partei durchaus hinter sich bekommen kann. Dafür ist die Aufgabenteilung genau richtig. Es ist mir schon vorgeworfen worden, ich würde nicht richtig nach der Macht greifen, weil ich nicht gleichzeitig den Parteivorsitz beanspruche. Ich mache auch aus der Aufgabentrennung kein Dogma. Das kann so und anders sein. Allerdings ist die Trennung der Ämter jetzt absolut erforderlich. Ich kann nicht, eingebunden als Senatorin in die Große Koalition, gleichzeitig die Interessen der Partei erfüllen. Das muß schiefgehen.
Staffelt hat aus der Analyse der auseinanderstrebenden Kräfte versucht, die Macht zu bündeln.
Erstens ist er ja daran gescheitert. Und zweitens lag das damals an einer anderen Einschätzung der Machtfrage. Ich bin überzeugt, wir brauchen ein Team, das sozialverträglich miteinander umgehen kann, ohne immer einer Meinung sein zu müssen. Klaus Böger als Fraktionsvorsitzender und Detlef Dzembritzki als Vertreter der Bezirksgefühle könnten dieses kompatible Team darstellen.
Die Ost-Abgeordneten murren, sie seien nicht repräsentiert.
Murren allein hilft nicht. Da muß auch ein Personalangebot da sein. Das ist doch eines unserer Probleme. Um diese Positionen auszufüllen, braucht man viel Erfahrungen, so daß ich auch verstehen kann, daß sich das keiner oder keine zutraut. Jemand nur deshalb in den Parteivorsitz zu nehmen, weil er ein Ostschild um den Hals hat, finde ich falsch. Da muß man sich andere Formen von Einflußnahme überlegen, damit das richtig zusammenkommt.
Es gab SPD-Genossen, die Sie unterstützt haben. Jetzt scheinen dieselben auch Momper zu unterstützen. Ist das ein Vorgeschmack auf die schwierige Zukunft?
Das ist für mich überhaupt nicht verwunderlich. Alle, die sagen, Wolfgang Nagel hätte mich zur Kandidatur veranlaßt, haben nicht recht. Er hat zwar gesagt, er würde mich unterstützen, aber das war auch alles.
...gegen Staffelt positioniert und danach fallen gelassen?
Ich lasse mich nicht so leicht positionieren. Das ist meine eigene Entscheidung gewesen. Es gab einige, die mich unterstützen. Und daß die nach drei Tagen finden, es müßte doch jemand anderes machen als ich, darüber rege ich mich nicht auf.
Sind Sie in Kenntnis der SPD- Hinterzimmer froh, daß es eine Urabstimmung gibt?
Das ist ein richtiger Schritt. Die schlechte Art, wie in enger personeller Verflechtung von Ämtern früher Kandidaten ausgerufen wurden, habe ich seit vielen Jahren miterlebt. Das ist auch ein Grund, die Trennung von Amt und Mandat zu betonen, ohne gleich in den Ruch zu kommen, zaghaft zu sein und nicht nach Macht zu greifen.
Momper steht für einen anderen Führungsstil.
Ich halte meinen Führungsstil und meine Art besser, sowohl für die Partei als auch für die Stadt. Deshalb finde ich, die SPD sollte besser mir folgen. Interview: Kordula Doerfler/
Gerd Nowakowski
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