Kein Abschied für immer Von Klaudia Brunst

Liebe Klaudia,

ich wende mich heute auf diese ungewöhnliche Weise an Dich, weil ich in den letzten Monaten feststellen mußte, daß die gedruckten Worte Deiner Welt doch offenbar viel mehr entsprechen als jeder gesprochene Satz.

Eben jene allwöchentlich gedruckten Worte sind es, die mich nun zu diesem Schritt nötigten: Klaudia, Du weißt es selbst, ich habe immer hinter Deiner Kolumne gestanden – nicht zuletzt oft genug in ihr. Und ich muß zugeben, daß keiner von uns absehen konnte, was da begann, als wir im vorvergangenen Winter die Satellitenschüssel kaufen gingen. Und dann all das andere: der Ikea-Ausflug, der Hundekauf – ich habe das alles toleriert, irgendwie hat es mich ja sogar amüsiert.

Irgendwann aber veränderte sich, das mußt auch Du zugeben, unser Leben doch gewaltig. Was haben wir noch über Deine Kollegin gelacht, die Dich eines Tages zur Seite nahm, um Dir in aller Offenheit ihre Verzweiflung über Deine angeblichen „versteckten Aggressionen“ mir gegenüber zum Ausdruck zu bringen – und uns dann ernsthaft eine Paartherapie ans Herz legte. Sei ehrlich! Damals fanden wir unsere plötzliche Berühmtheit noch richtig schick. Selbst als ich in der taz-Kantine immer öfter als „Klaudias berühmte bessere Hälfte“ angesprochen wurde, fühlte ich mich noch gebauchpinselt.

Als aber dann die ersten LeserInnenbriefe kamen, die sich besorgt nach einer etwaigen Krise unserer Beziehung erkundigten, wurde mir die Sache doch allmählich unheimlich. Und als gestern erst eine Mutter aus meinem Kinderladen allen Ernstes ein Autogramm von mir wollte und mir später unsere Ärztin mit wissender Miene einen B-Test rüberschob – da begann ich, die Sache doch anders, kritischer, zu sehen.

Klaudia! Komm zu Dir! Die Achtundsechziger haben nicht recht! Das Private ist nicht öffentlich! Jedenfalls meines nicht.

Schweren Herzens habe ich mich nun entschieden: Da ich Dir ja beruflich nicht im Wege stehen will (und ich weiß, daß Du bei allem Lustigen, das wir gemeinsam erleben, im hintersten Winkel Deines Kopfes schon an den nächsten Artikel denkst ...), da das also wohl kaum aufhören wird – jedenfalls solange wir gemeinsam unter einem Dach wohnen – werde ich vorübergehend zu meiner Mutter ziehen. Du weißt, ich habe sie in der letzten Zeit etwas vernachlässigt. Für ein paar Wochen, vielleicht Monate, wirst Du (und die taz) also ohne mich auskommen müssen.

Klaudia! Ich bitte Dich inständig: Nutze diese Zeit! Gehe in Dich! Was ist so ein bißchen Berühmtheit gegen unser kleines privates Glück? Und denk doch auch einmal an die armen Tiere! Die sind doch die Leidtragenden dieses ganzen Rummels! All die vielen fremden Menschen, die unserem Hund neuerdings einfach so über den Kopf streicheln ... Das geht doch wirklich zuweit.

Den Hund werde ich übrigens mitnehmen, er hat es bestimmt besser auf dem Land. Ich bin sicher, diese Lösung ist für uns alle vorerst das Beste. Sei nicht allzu traurig. Es ist ja kein Abschied für immer.

Deine Dich liebende Freundin

P.S.: Vergiß bitte nicht, die Blumen regelmäßig zu gießen, vor allem die Birkenfeige. Und streichle ab und zu den Kater von mir.