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Löffler: ein DDR-Spion ganz wider Willen?

■ Prozeß gegen Ex-CDU-Bürgerschaftsabgeordneten / Agententätigkeit eingeräumt

Mit einem weitgehenden Geständnis begann gestern vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht der Spionageprozeß gegen den Ex-CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Gerd Löffler. „Ich habe niemandem Schaden zugefügt“, erklärte der Diplomphysiker. Strafrechtlich hält er die Vorwürfe aber für „berechtigt“. Löffler: „Die Agententätigkeit für die NVA war falsch.“

Im Staatsschutzsaal 288 herrschte gestern trotz des Medienandrangs eine entspannte Atmosphäre. Die Tür zum panzerglasgesicherten Zuhörerraum war geöffnet. Als sich Anwalt Gerd Strate mit seinem in Untersuchungshaft einsitzenden Mandanten abstimmen wollte, stellte der Vorsitzende Richter Albrecht Mentz sein Beratungszimmer zur Verfügung – ohne Bewachung. Mentz: „Herr Wachmeister, dafür übernehme ich die Verantwortung.“

In seiner einstündigen Einlassung schilderte der sichtlich psychisch angeschlagene Löffler, wie er zufällig in die Klauen der „Abteilung Aufklärung der Nationalen Volksarmee“ – von deren Existenz er erst nach seiner Festnahme 1990 erfahren habe – geraten sei. Nach der Verabschiedung des Grundlagenvertrages 1972 und dem Ende des Kalten Kriegs wäre offizielle Politik gewesen, die Informationsbarrieren zwischen Ost und West abzubauen. Als sich auf eine Anzeige seiner Firma „Systemtechnik“ 1974 eine Dresdner Firma meldete, habe er gehofft, durch Geschäftsbeziehungen den Prozeß in Richtung Wiedervereinigung unterstützen zu können. Löffler erinnert: „Die Bundesrepublik war zu diesem Zeitpunkt der größe Exporteur von Hochtechnologie in die UdSSR.“

In Berlin habe er seine neuen „Geschäftspartner“ erstmals getroffen. Ergebnis: Über seine Firma sollte er fortan einem DDR-Elektronik-Betrieb Materialen liefern. Ziel des Transfers sei es gewesen, die DDR zu unterstützen, den technologischen Rückstand aufholen zu können. Gegen Bezahlung habe er bei durchschnittlich fünf Treffen im Jahr in Ost-Berlin Materialen, Prospekte und Fachliteratur sowie allgemein zugängliche Informationen geliefert.

Erst 1977 seien ihm langsam „geheimdienstliche Merkmale“ aufgefallen, schilderte Löffler. Als er die Kontakte abbrechen wollte, habe man ihn massiv unter Druck gesetzt. Entweder er mache weiter oder seine Akte werde an die „Stasi“ übergeben. Löffler machte weiter – er habe sich aber nie als Agent gefühlt. Mitte der achtziger Jahre hätten die Treffen oft in Hamburg oder Ahrensburg stattgefunden, wo nun auch Materialen über Umweltschutztechnologien und Wehrtechnik übergeben worden seien. Löffler: „Ich habe nie spezielle Kundeninformationen preisgegeben.“ Die Dokumente stammten vielmehr aus freizugänglichen Seminaren verschiedener Gesellschaften und Institute zum Thema Umweltechnologie, Elektronik und Wehrtechnik. „Im Vergleich zum üblichen Technologietransfers war das Verratsmaterial minderer Qualität.“ Die Übergabe erfolgte zuletzt in Mikrofilmform. Löffler: „Die Idee kam von drüben. Das Fotografieren der Unterlagen war für mich bequemer, als immer zum Copy Shop zu fahren.“

Moralisch hält Löffler sein Handeln nicht für verwerflich, obwohl er laut Anklage dafür 60.000 Mark kassierte. Denn ein frühzeitiger Technologie-Tranfer hätte seiner Meinung nach Katstrophen wie in Tschernobyl oder die Elbverschmutzung vermeiden können. Löffler nachdenklich: „Was hätten wir an Menschen und Umweltschäden verhindern können, wenn Wissen und Technologie früher in den Osten geflossen wären?“ Dennoch räumt der Ex-CDU-Politiker ein: „Es war ein Fehler nicht spätestens 1977 abzubrechen. Aber so bin ich der Krake Stasi entronnen.“

Zu Beginn des Prozesses hatte Verteidiger Strate einen Aussetzungsantrag gestellt, weil Löfflers Festnahme durch „deutsche Grenzer auf Österreichischem Boden“ im Juli 1994 gegen Völkerrecht verstoße. Über den Antrag hat das Gericht noch nicht entschieden. Der Prozeß wird fortgesetzt.

Kai von Appen

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