: Statt Räumung wurde aufgeräumt
■ Projekt für obdachlose Jugendliche in der Kastanienallee 71 kann weitermachen / Grundsätzliche Probleme bleiben
Ein Putzplan für die Woche und gewischte Flure, an der Wand Grüße vom „Anti-Scheiß-Komitee“. Was niemand mehr für möglich gehalten hatte: Die einst obdachlosen Jugendlichen in der Kastanienallee 71 haben aufgeräumt und damit in letzter Minute ihre Räumung verhindert.
Noch eine Woche zuvor hatte Bernd Holtfreter vom Verein EntwederOderberger, auf dessen Bestreben im Mai ein befristeter Mietvertrag für zwei Etagen des Hauses im Prenzlauer Berg zustande gekommen war, resigniert festgestellt, daß er die Verantwortung für die Jugendlichen nicht mehr tragen könne.
Zerstörungen, Beschwerden von Anwohnern der Kastanienallee – selbst das Gesundheitsamt stand auf der Matte – hatten dem Verein Konsequenzen in Aussicht gestellt, für die er allein seinen Kopf nicht mehr hinhalten konnte. So zeigte sich der Grundstücksbesitzer, die Heilsarmee, zwar noch gesprächsbereit, machte aber keinen Hehl daraus, gerichtliche Schritte in Erwägung zu ziehen, falls sich an den Zuständen im Haus nichts ändere.
Der „Runde Tisch Instandbesetzung“ im Prenzlauer Berg am Donnerstag abend war es schließlich, der den Jugendlichen noch einmal eine Chance gab. Das Jugendamt des Stadtbezirks machte Mittel für einen Sozialarbeiter und eine Sozialarbeiterin frei. Ältere Jugendliche, die dem Wohnprojekt keine Zukunft mehr beschieden, beschlossen, es zu verlassen. Sie bekamen Wohnberechtigungsscheine.
Die Konflikte sind damit jedoch keineswegs grundlegend vom Tisch. Der bevorstehende Winter könnte dem Haus neuen Zulauf an obdachlosen Jugendlichen bescheren. „Ich kann mir nicht vorstellen, Kinder wegzuschicken, die hier vor der Tür stehen“, meinte der als Sozialarbeiter tätige Peter Neumann vom Pfefferwerk e.V.
Das Projekt K71 könne allerdings nicht die Grundsatzfrage der Obdachlosigkeit von Jugendlichen im Bezirk Prenzlauer Berg lösen, halten unter anderem Bernd Holtfreter und Ralf Hirsch von der Senatsverwaltung Bau/Wohnen dagegen. Das müsse zu anderer Zeit an einem anderen Ort diskutiert werden.
Zum 1. Mai gehe das Objekt an die Heilsarmee zurück, die nicht bereit ist, den Mietvertrag zu verlängern. Bis dahin könnte für jeden, der bislang in der K71 lebt, eine Lösung entsprechend seiner Vorstellungen und Wünsche gefunden worden sein. Jedoch Ende April auf einen Schlag für mehr als 20 Jugendliche eine Alternative zu finden, sei schier unmöglich. Freiwerdende Zimmer sollten also geschlossen und damit gleichzeitig Miete gespart werden.
„Das Leben ist anders“, stellte dazu nicht nur der den Runden Tisch moderierende Pfarrer Winkler fest. Kathi Seefeld
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