: USA: Waffen für Sarajevo!
■ Clinton will Embargo nicht mehr überwachen lassen / Weiter schwere Kämpfe um Bihać
Sarajevo (taz) – Gestern morgen bestätigte Robert Hunter, US-Botschafter bei der Nato, daß die USA sich nicht mehr an der Überwachung des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina beteiligen wollen. Die zwei US-Kriegsschiffe, die bislang zusammen mit 18 anderen von WEU und Nato das Embargo in der Adria überwachen, sollen abgezogen werden. Der Beschluß, der einige US-amerikanische Nato-Offiziere in echte Loyalitätskonflikte treiben könnte, soll offenbar unterhalb der Schwelle der einseitigen Aufhebung des Embargos Fakten schaffen.
In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo wurde die Entscheidung der Clinton-Administration mit Freude begrüßt. Passanten in der Innenstadt lachten und fielen sich in die Arme. Der Vizepräsident der bosniakisch-kroatischen Föderation, Ejub Ganić, erklärte in einer ersten Stellungnahme, daß „mit der Maßnahme der USA endlich die Möglichkeit für ein Gleichgewicht der Kräfte geschaffen wird“. Der Schritt der USA käme zwar noch nicht der Aufhebung des Embargos gegenüber Bosnien-Herzegowina gleich. In nächster Zukunft sei also keineswegs mit einem größeren Waffenzufluß für die bosnischen Regierungstruppen zu rechnen. Doch habe die Entscheidung Clintons eine große psychologische Bedeutung. Dagegen bedauerte der britische Außenminister Douglas Hurd das US-amerikanische Vorgehen und wies darauf hin, daß mit einem Waffenzufluß der Krieg in Bosnien-Herzegowina nur angeheizt werde. Der Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien, Michael Rose, äußerte sich ähnlich.
Unterdessen setzen die bosnisch-serbischen Truppen ihre Offensive in Westbosnien gegen die Enklave um Bihać fort. UNO-Quellen bestätigten die Meldungen des Rundfunks in Sarajevo, denen zufolge die serbischen Truppen wie schon an den Vortagen sowohl von den serbisch besetzten Gebieten in Bosnien als auch von den serbisch besetzten Gebieten in Kroatien aus mit starken Artillerieangriffen gegen die Städte Bihać, Cazin und Velika Kladusa vorgingen. Damit würden die Krajina-Serben erstmals mit Bodentruppen den bosnischen Serben zu Hilfe kommen. Kroatiens Verteidigungsminister Gojko Susak drohte daraufhin mit einer Intervention.
Vor allem aus Bihać werden schwere Schäden berichtet, viele Häuser des Zentrums und einiger Vororte sollen schwer beschädigt worden sein. Die serbischen Truppen meldeten Erfolge bei der Rückeroberung von Gebieten, die in den letzten Wochen von den bosnischen Regierungstruppen erobert worden waren.
Nicht nur die Artillerieangriffe machen den bosnischen Regierungstruppen in der Enklave Bihać zu schaffen. Die Munitionsfabrik am Nordrand der Stadt, die am Mittwoch von zwei von Flugzeugen abgeschossenen Raketen getroffen worden war, ist offenbar weitgehend zerstört worden, so daß der Nachschub an Munition ins Stocken geraten ist. Zwar erklärte der Kommandant des 5. Korps der bosnischen Armee, Dedaković, noch gestern, die bosnischen Truppen hätten trotz der Artillerieangriffe „keinen Zentimeter“ des von ihnen kontrollierten Bodens verloren, aber die Lage der Verteidiger scheint sich mit dem Verlust des Munitionswerkes doch verschlechtert zu haben. Wie schon in den vergangenen Tagen gab es auch gestern keine Angaben über Tote und Verletzte der schweren Kämpfe.
In Pale hat unterdessen das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben nach zweitägigen Beratungen Radovan Karadžić zu weiteren Mobilisierungsmaßnahmen und zur Verhängung des Kriegszustandes ermächtigt. Karadžić erklärte zum Abschluß der Sitzung, die muslimisch dominierte bosnische Enklave in Bihać sei keineswegs als UNO-Schutzzone zu betrachten. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen