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Wir von Siemens lassen uns Zeit...

Wieder Unfall im Brennelementewerk von Hanau / Aus einem umgekippten Faß lief uranhaltige Flüssigkeit aus / Umweltschützer erstatten Strafanzeige  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

„Abenteuerlich“ nennt Elmar Diez von der Initiativgruppe Umweltschutz Hanau (IUH) den Umgang der Siemens-Männer mit radioaktiven Stoffen. Er hat Recht. Auch dem Weltkonzern war die Sache ein wenig peinlich. Der Unfall, der sich auf dem Gelände der Siemens-Brennelementefabrik von Hanau ereignet hat, gehört eigentlich zu den meldepflichtigen Ereignissen der Kategorie „Eilt“. In diesen Fällen, schreibt das Gesetz vor, muß die zuständige Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden benachrichtigt werden.

Der Firma sollten solche atomrechtlichen Vorschriften eigentlich geläufig sein. Sie verarbeitet in Hanau nicht nur seit Jahren Uran, sondern ist immer noch wild entschlossen, am selben Ort die weit brisanteren Mischoxid-Brennstäbe aus Plutonium und Uran herstellen zu dürfen. Elmar Dietz klagte gegen dieses Vorhaben im Namen seiner Tochter bis in die höchste Instanz. Das Bundesverwaltungsgericht gab in diesem Sommer dem Konzern recht, Siemens darf seine MOX-Anlage weiterbauen.

Der juristische Erfolg scheint die Betriebsleitung leichtsinnig gemacht zu haben. Bloß keine Hektik. Es dauerte mehr als einen Tag, bis sie am Samstag Gelegenheit fand, nun doch noch pflichtgemäß das in diesem Fall zuständige hessische Umweltministerium davon in Kenntnis zu setzen, was am Freitag mal wieder in der Atomfabrik passiert war. Der Bericht ist erstaunlich genug: Beim Transport von uranhaltigem Abfallschlamm auf dem Firmengelände war radioaktive Flüssigkeit aus einem Faß ausgelaufen.

Die Uranmenge in der Flüssigkeit soll, nach Angaben von Siemens, rund fünf Gramm betragen haben. Damit hat das das Umweltministerium in einer ersten Stellungnahme am Samstag ausgerechnet, war der zulässige Grenzwert von 0,5 Bequerel pro Quadratzentimeter Boden um das Zehnfache überschritten worden. Die Gesamtaktivität der ausgelaufenen Flüssigkeit wird auf 50.000 Bequerel geschätzt.

Das Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Eduard Bernhard, findet die Schlamperei sei „unverantwortbar“. Die Fässer mit radioaktivem Flüssigabfall, die zur weiteren Behandlung mit einem Transportfahrzeug in ein anderes Gebäude verbracht werden sollten, waren so mangelhaft gesichert, daß eines davon umstürzte und auslief. BBU und IUH wollen deshalb eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Firma Siemens stellen — „wegen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen und wegen Verstoß gegen die Strahlenschutzverordnung“. Der Vorfall reihe sich nämlich ein in eine ganze Liste von Nachlässigkeiten dieser Art, sagen Diez und Bernhard übereinstimmend: „Nach all den Unfällen, Vorfällen und Zwischenfällen ist es endlich an der Zeit, der Siemens die Genehmigung zu entziehen und das Brennelementewerk in Hanau zu schließen.“

Der neue hessische Umweltminister Rupert von Plottnitz (Bündnisgrüne) hat eine eingehende Untersuchung des Ereignisses angeordnet. Er verfügte gestern, daß das wacklige Transportfahrzeug so lange nicht mehr eingesetzt werden dürfe, bis die Unfallursache geklärt und die Mängel behoben seien. Sachverständige sollen jetzt sowohl das Fahrzeug als auch die Art und Weise der Transporte auf dem Firmengelände untersuchen. Eines hat die Betriebsmannschaft wenigstens geschafft. Wie Siemens gestern mitteilte, sei die ausgelaufene radioaktive Flüssigkeit am Wochenende nunmehr „restlos beseitigt“ worden.

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