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Sattelfest und hart im Nehmen

■ "Die Abenteuer des Brisco County Jr." im Wilden Westen, Pilotfilm morgen um 20.15 Uhr auf Pro7

Täglich schlägt irgendwann die Stunde, da der Fernsehkritiker das Politzeugs, den anspruchsvollen Krams, die organisierte Langeweile pflichtbewußt weggeguckt hat, in der alles gewissenhaft rezensiert ist und die verglimmende Energie nicht einmal mehr für eine letzte Runde Guter-Bulle-böser- Bulle reicht. In solchen Momenten kann es vorkommen, daß der Programmbeobachter schon mal zur Konserve greift, weil es ihn nach leichter Kost gelüstet.

Wohl dem, der dann eine Kassette „Brisco County Jr.“ herumliegen hat.

Der Vorspann hebt an. „Special Appearances“ werden annonciert, und schon muß der verwitterte Mann im Ausguck herzlich lachen. Denn als Auftraggeber des drahtigen Draufgängers Brisco County Jr., der die Besitztümer einiger hochmögender Wirtschaftskapitäne vor dem Zugriff übelwollender Subjekte schützen soll, treten die Herren Paul Brinegar, Stuart Whitman, Robert Fuller und James Drury in Erscheinung, dem kundigen Tele-Veteranen bestens bekannt aus famosen Westernserien wie „Rawhide“, „Cimarron Strip“, „Laramie“ und „The Virginian“. Das eifrige Studieren der Klassiker lohnt eben doch ...

Deduktive Logik und effektiver Faustkick

Brisco County Jr. ist einer dieser Männer mit Hut – großmäulig, in Maßen studiert und schnell mit dem Revolver. In den Fußstapfen seines legendenumwobenen, bei einem unvermeidlichen Berufsunfall ums Leben gekommenen Vaters jagt Brisco im allmählich zivilisierter werdenden Wilden Westen Schurken und Finsterlinge jeglichen Kalibers, wobei er es aber auch mit mysteriösen UFO-Hinterlassenschaften, raketenbetriebenen Schienenfahrzeugen und geschmeidigen Ninjas zu tun bekommt.

Seine Fälle löst der stoppelbärtige Schwerenöter mit deduktiver Logik und effektivem Faustkick und wird dabei begleitet vom bläßlichen Paragraphenreiter Socrates Pool (Christian Clemenson), dem die finanziellen Dinge obliegen. Briscos Widersacher haben durchaus Stil. Vor einem gemalten Prospekt, der einen Lokführer in die Falle locken soll, fachsimpelt ein Wegelagerer über die französischen Impressionisten: Der Unterschlupf der Bande, eine heimelige Höhle, ist mit Kronleuchter und Kirchenorgel ausgestattet, und selbst bei spontanen Erschießungen werden alle erforderlichen Sicherheitsvorschriften beachtet. Höflichkeit und Anstand gelten auch in Augenblicken physischer und geistiger Anspannung als obligat. Beispielsweise bittet der Bandenführer seine Komplizen mit geziemenden Worten, den Eisenbahnraub zu beginnen: „Eröffnen Sie das Feuer, Gentlemen!“

Von einer Kalamität in die andere

Die Autoren Jeffrey Boam, der Einschlägiges schon für Spielbergs „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ leistete, David Simkins und Carlton Cuse bedienen sich der Erzählmuster des klassischen Kinoserials. In aberwitzigem Tempo gerät der Titelheld von einer Kalamität in die andere, jede für sich stets akkurat angekündigt durch verheißungsvolle Zwischentitel. Vor den Werbepausen sind vorbildlich ausgeführte „cliffhanger“ plaziert, wobei man nur hoffen kann, daß die diesbezüglich meist recht roh operierenden deutschen Vermarkter diese fein durchdachte Struktur nicht mutwillig zerspleißen.

Die Rolle des schneidigen Helden übernahm Bruce Campbell, ein weiterer Name, der den Beobachter die Augenbrauen lüpfen läßt, verkörperte unser Mann doch den von finsteren Mächten drangsalierten Kettensägenvirtuosen in Sam Raimis „Evil Dead“-Trilogie, produzierte und inszenierte selbst so manche Pretiosen des Schräglagenfilms und war noch neulich als Darsteller in „The Hudsucker Proxy“ präsent. Sein ebenso verschlagener wie kultivierter Gegenspieler ist Billy Drago. In Gastrollen wirken Karen Allen, Kate Capshaw und Alison Doody, und wir wissen, was wir davon zu halten haben. Harald Keller

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