: Bald toller Telekom-Service?
Die Europäische Union hinkt ganz langsam in Richtung Informationsgesellschaft / Europas Postmonopole sollen endgültig fallen ■ Aus Brüssel Alois Berger
Die Europäische Kommission will die Datenautobahnen freiräumen, damit die EU endlich in Richtung Informationsgesellschaft losbrausen kann. Am Donnerstag will die Europäische Kommission die Postminister der zwölf Mitgliedstaaten drängen, die endgültige Liberalisierung der Telefon- und Datennetze zu beschließen. Am besten wäre es, so die Kommission, wenn die Minister auch gleich einen Zeitpunkt festlegen würden, wann die letzten Überreste des Postmonopols fallen sollen.
Nach einer Studie der Europäischen Kommission sind die Gebühren für Telefon und Datenübertragung in Europa zehnmal so hoch wie in den USA, wo private Anbieter das Geschäft erledigen, das in Europa immer noch weitgehend in der Hand von staatlichen oder ehemals staatlichen Monopolen liegt. Im „Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze: Teil 1“ läßt der zuständige Kommissar Martin Bangemann vorrechnen, daß mehr Konkurrenz auch in Europa die Leitungspreise drastisch senken würde.
Dadurch könnten elektronische Dienstleistungen wie Datenbanken, Videokonferenzen, Vernetzung von weit entfernten Computerarbeitsplätzen oder neuen TV- Kabelprogrammen billiger angeboten werden und trotzdem rentabler arbeiten. Datennetze wie „Internet“ sind in Europa nicht zuletzt deshalb so teuer, weil die Betreiber horrende Leitungsgebühren an die nationalen Telekomgesellschaften zahlen müssen.
Die Informationsgesellschaft, so das Credo des Freidemokraten Bangemann in Brüssel, müsse nicht durch einen staatlich finanzierten Ausbau der Datennetze vorangebracht werden. Es genüge, den Stöpsel zu ziehen, mit dem die Monopole die Entwicklung zurückhielten, den Rest würden private Investoren erledigen. Sobald die Telekomgesellschaften durch Konkurrenz gezwungen würden, die hohen Leitungsgebühren zu senken, würden neue Informations- und Telekommunikationsunternehmen ganz von selbst aus dem Boden schießen, prophezeit Bangemann, kurz: die Wachstumsbranche der Zukunft könnte endlich loslegen und Arbeitsplätze schaffen. Die Kommission rechnet für die Telekommunikationsindustrie, die in Europa bereits 200 Milliarden Mark erwirtschaftet, mit einem jährlichen Wachstum von rund acht Prozent.
Zwar gibt es unter den europäischen Postministern auch einige, die ein von der EU finanziertes Programm zum Ausbau neuer Kabelnetze vorzögen, vor allem weil damit Arbeitsplätze unmittelbar geschaffen und nicht nur versprochen würden. Noch vor einem Jahr listete die Kommission im Weißbuch für Wachstum und Beschäftigung auf, daß in den nächsten zehn Jahren 300 Milliarden Mark für europäische Telekommunikationsnetze nötig seien. Aber bei der Mehrheit der EU-Regierungen liegt eindeutig die Liberalisierung im Trend, die den Vorteil hat, daß sie nichts kostet. Außerdem gibt es nicht mehr allzu viele Menschen in Europa, die den Service von Post und Telekom so atemberaubend finden, daß man ihn schützen müßte. Die Auseinandersetzungen drehen sich darum im Kern nur noch um den Zeitplan.
In einem ersten Schritt sollen parallel zu den Telekomnetzen sogenannte alternative Netze zugelassen werden, die es in allen EU- Ländern längst gibt. In der Bundesrepublik haben beispielsweise die großen Stromgesellschaften ein Netz von leistungsstarken Telefon- und Datenleitungen, das bisher aber ausschließlich innerhalb der Gesellschaften genutzt werden durfte. Auch die Bundesbahn besitzt ein eigenes Datennetz, das sämtliche Bahnhöfe und damit so ziemlich alle größeren Gemeinden miteinander verbindet. Dazu kommen noch Sateliten- und Mobilfunknetze für eingeschränkte Nutzerkreise.
Der Knackpunkt dabei ist, daß die nationalen Telekomgesellschaften in den EU-Staaten dazu verdonnert werden, ihr Netz auch für Konkurrenten zu öffnen. Denn nur die Telekoms haben flächendeckende Netze, an die fast alle Haushalte angeschlossen sind. Das heißt, daß künftig auch die Bundesbahn oder ein Stromkonzern Datenleitungen für Videokonferenzen oder sonstigen Gebrauch zwischen Hamburg und München anbieten können, indem sie in den beiden Städten zum Ortstarif das Netz der Telekom nutzen. Das Geld wird dann auf den eigenen Fernleitungen verdient.
Irgendwann, so die Hoffnung, wird die Telekom dann auch in den Ortsnetzen Konkurrenz bekommen, zumindest bei hochwertigen Datenkabeln, wie sie etwa für das Gebührenfernsehen wichtig sind. Denn beim Pay-TV, wo das große Geschäft vermutet wird, machen Leitungsgebühren einen nicht unbeträchtlichen Teil der Kosten aus, so daß Investitionen in alternative Kabelnetze genügend Rendite versprechen. Ziel ist es, daß beispielsweise die deutsche Telekom auf möglichst allen Teilstrecken ihres Netzes mindestens einen Konkurrenten haben soll.
Geht es nach der deutschen Regierung, dann bekommen die alternativen Netzanbieter bereits ab 1995 Lizenzen für die Datenübertragung. Allerdings noch nicht für das ganz normale Sprachtelefon. Denn da haben sich die Postminister schon vor Monaten auf 1998 als Starttermin für den freien Wettbewerbs verständigt. Beim Sprachtelefon, immer noch die Haupteinnahmequelle der nationalen Telekomgesellschaften, sind die Widerstände gegen die Aufhebung der Monopole besonders groß. Deshalb sollen fürs erste nur die Breitbandnetze für die Konkurrenz freigegeben werden.
Vor einer Liberalisierung des Sprachtelefondienstes, meint EU- Kommissar Bangemann, müsse erst eine „vertiefte Debatte“ stattfinden, in der auch die politischen und sozialen Auswirkungen diskutiert würden. Für die Freigabe der wesentlich leistungsstärkeren Netze für Fernsehen und Datenübertragung ist das demnach nicht so wichtig. Die Europäische Union hinkt ganz langsam in die Informationsgesellschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen