piwik no script img

„Exzeßtaten“ der Hamburger Polizei

■ Justizsenator Klaus Hardrath zog gestern erste Bilanz im Hamburger Polizeiskandal / Sieben Beamte wurden bisher namentlich als Täter ermittelt

Hamburg (taz) – Spürbar erschüttert zog Hamburgs Justizsenator Klaus Hardraht gestern eine erste Bilanz der Ermittlungen im Polizeiskandal der Hansestadt. Körperliche Dauerschäden hätten die Opfer nicht davongetragen, „es ist vielmehr die abscheuliche, inhumane und menschenverachtende Art und Weise, wie einige Polizeibeamte gehandelt haben.“ Sieben mutmaßliche Täter konnten bisher namentlich ermittelt werden. Vorgeworfen wird diesen Polizisten Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Nötigung.

Einige Beamte sollen festgenommene Schwarzafrikaner nach der Feststellung ihrer Personalien grundlos festgehalten oder weit außerhalb des Reviergebiets „ausgesetzt“ haben. Zu den sogenannten „Exzeßtaten“ zählt Hardrath auch die menschenverachtende Behandlung auf dem Revier Kirchenallee am Hauptbahnhof. Dort hätten sich Inhaftierte nackt ausziehen müssen und wären dann von Polizisten am ganzen Körper mit Insektenspray eingenebelt worden. Andere Beamte hätten mutmaßlichen Dealern ohne ärztliche Kontrolle Brechmittel eingeflößt, um so mit Gewalt angeblich verschluckte Kokain-Kügelchen ans Tageslicht zu befördern. „Ohne ärztliche Betreuung“, so Oberstaatsanwalt Manfred Köhnke, „ist eine derartige Maßnahme unverhältnismäßig und, da es meistens nicht freiwillig geschieht, eine Körperverletzung.“

Erst vor wenigen Wochen hatte sich bei der Hamburg-Welle des NDR und bei der taz-Hamburg ein Polizeibeamter gemeldet, der über das rassistisch motivierte Vorgehen des Einsatzleiters Christoph St. am Hauptbahnhof berichtete. St. hätte mehrmals „ohne Absprache mit der Polizeiführung“ zu privaten Treibjagden auf Ausländer im Stadtteil St. Georg geblasen. In eigener Regie habe er mehrere Streifenwagen ausrücken und „Bimbos und Ausländer“ wie Vieh zusammentreiben lassen. Inzwischen wurde St. versetzt. 1990 war St. als Leiter der „16-E-Schicht“ im Hamburger Schanzenviertel an zahlreichen brutalen Einsätzen beteiligt. Silvester 1990 machte der „16-E-Trupp“ unter seiner Leitung Jagd auf mutmaßliche Szene- Leute, wobei eine Person zusammengeknüppelt und schwer verletzt wurde. Dieser Fall wird nun wieder aufgerollt, nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren mehrfach eingestellt hatte.

Ein weiteres Verfahren ist bereits auf Anordnung von Senator Hardrath zur Anklage gelangt: Ein 26jähriger Mann war im Juli 1991 von Beamten des „16-E-Trupps“ verprügelt und auf der Fahrt zur Wache schwer mißhandelt worden. Auch hier war von Polizei und Staatsanwaltschaft der Aktendeckel zugeklappt worden, obwohl das Landgericht dem Opfer in einem Zivilprozeß 2.500 Mark Schmerzensgeld zuerkannt hatte. Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen