: Eine Troika von wahren Freunden
■ Koalitionsgespräche erfolgreich beendet / Inhalte, Posten, Kabinett: Alles unklar
Bonn (taz) – Die Koalitionspartner machen es spannend: Entgegen allen Erwartungen konnten sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP bis gestern nachmittag noch nicht auf Anzahl und Zuschnitt der Ministerien einigen. Vor der Presse weigerten sich Kanzler Helmut Kohl und CSU-Chef Theo Waigel beharrlich, ihre Vorstellungen vom künftigen Kabinett bekanntzugeben. Kohl selbstherrlich: „Ich hab' alles in meinem Kopf.“
Allein Klaus Kinkel gestand die bescheiden gewordenen Forderungen der Liberalen ein: Drei Ministerien verlange er für seine Partei. Die Namen seiner Wunschkandidaten wollte aber auch der FDP-Vorsitzende nicht nennen.
Das 50seitige Koalitionspapier, das jetzt vorliegt, ist ein wahres Wunderwerk. Glaubt man den Worten der Kabinetts- Antipoden Klaus Kinkel und Theo Waigel, dann haben sowohl die Liberalen als auch die bayerischen Konservativen die Vereinbarungen mit ihren Vorstellungen geprägt. Kinkel wollte in dem Papier die „Konturen liberaler Politik“ deutlich erkennen, Theo Waigel dagegen „die Handschrift der CSU“. Kohl hatte offenbar zahmen liberalen Verhandlungspartnern gegenübergesessen: „Ich habe keine Grenzen der Zumutbarkeit in diesen Koalitionsverhandlungen erlebt.“
Was allerdings den Kern der Vereinbarungen angeht, fiel die gestrige Botschaft mager aus. Das Papier, teilte Helmut Kohl mit, bilde eine „gute Basis für die Politik der nächsten vier Jahre“. Um das vereinte Deutschland „zukunftsfähig“ zu machen, habe sich die Koalition für die vor ihr liegende Legislaturperiode gleich mehrere Aufgaben gesetzt: Neue Arbeitplätze sollen geschaffen, die überzogene Bürokratie soll abgebaut, die Staatsfinanzen sollen gesichert, die Familie soll gestärkt, der Sozialstaat umgebaut und die Kriminalität bekämpft werden.
Einen Tag vor der Kanzlerwahl beschränkten sich die Parteivorsitzenden weitgehend darauf, den schon von den Generalsekretären nach den jeweiligen Verhandlungsrunden präsentierten Formelkompromiß zu wiederholen. Auf die FDP sei Verlaß, kündigte Kinkel gestern an, der Kanzler könne mit allen Stimmen der Liberalen rechnen. Und auch Waigel versprach alle CSU-Voten. Kohl selbst antwortete auf die Frage, wie sicher er sich seiner Wahl bei der heutigen Sitzung im Bundestag sei, lapidar: „Ich bin sicher.“
Zur Wahrung der eigenen „Identität“ (Kinkel) war den Liberalen vor allem ein Teilerfolg in der Ausländerpolitik wichtig. Sogar CSU-Chef Waigel gestand gestern ein, daß die Union mit der Zustimmung zu der neugeschaffenen „Kinderstaatszugehörigkeit“ bisherige Positionen geräumt habe: „Das ist ein Stück Entgegenkommen gegenüber der FDP.“
Der Erfolg fällt freilich recht bescheiden aus. Die CSU habe keinen ihrer Grundsätze aufgeben müssen, betonte Waigel. Nur für in Deutschland geborene Kinder der dritten Generation wird eine Kinderstaatszugehörigkeit eingeführt, die gegenüber einer vollen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile bietet. Allerdings muß sich das Kind mit seinem 18. Lebensjahr entscheiden, ob es seine eigene Staatsangehörigkeit aufgibt, um die deutsche zu erhalten. Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist ausdrücklich nicht zulässig.
Auch wenn die Koalitionäre über Namen und Struktur nicht reden wollten, gilt eine Verringerung des Kabinetts um 2 auf 16 Ressorts als wahrscheinlich. Das Familienministerium, dessen Amtsinhaberin Hannelore Rönsch (CDU) von sich aus auf ihren Posten verzichtet hatte, soll dem Frauenministerium zugeschlagen werden; die Ressorts Bildung und Forschung werden zu einem „Zukunftsministerium“ zusammengelegt. Entgegen vieler Spekulationen soll der bisherige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) jedoch nicht in dieses neue Ressort wechseln. Als ausgemacht gilt dagegen, daß nach dem FDP-Verlust des Bauministeriums wieder eine Frau, diesmal aus der CDU, ins Kabinett aufrückt. Hans Monath, Erwin Single
Seiten 5 und 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen