: Anklage gegen SPD-Abgeordneten
■ Landgericht will SPD-Bundestagsabgeordneten Neumann wegen Betrugs anklagen / Bundestag soll Immunität aufheben
Die Staatsanwaltschaft will den Berliner Rechtsanwalt Kurt Neumann wegen des Verdachts auf Betrug anklagen. Der Bundestag soll deshalb die Immunität des SPD- Bundestagsabgeordneten aufheben. Es sei eine Frage weniger Tage, bis das Landgericht bei Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth einen schriftlichen Antrag einreichen werde, hieß es gestern in Bonner Kreisen. Sowohl der amtierende Vorsitzende des Immunitätsausschusses Dieter Wiefelspütz (SPD) wie Parteichef Scharping sollen mündlich informiert sein. Nach Informationen der taz ermittelt die Staatsanwaltschaft in einem weiteren Verfahren und will ebenfalls Anklage erheben – zur Zeit wird noch geprüft, ob Neumann seine Schuld mit einer abgeschlossenen Strafsache verbüßt hat. Die Vorwürfe werden im Zusammenhang mit seinem Beruf als Rechtsanwalt erhoben. Der geschäftsführende Landesvorstand der Berliner SPD hat den 45jährigen gestern aufgefordert, sein Mandat zurückzugeben: Er habe „keine nachvollziehbare Klärung des Sachverhalts vorgelegt“.
Der Immunitätsausschuß wird über den Antrag des Landgerichts auf seiner konstituierenden Sitzung am 14. Dezember entscheiden. In Bonner Kreisen gilt es als sicher, daß dem Antrag des Landgerichts stattgegeben wird. „Hier geht es um sehr gravierende Vorwürfe und um die Frage, ob Neumann seine Wähler getäuscht hat“, sagte ein Bonner SPD-Politiker. Wären die Vorwürfe vor der Bundestagswahl am 16. Oktober bekannt geworden, hieß es in Bonn, hätte Neumann seine Direktkandidatur in Kreuzberg/Schöneberg nicht gewonnen.
Die Partei hatte Neumann bislang offiziell vorgeworfen, er habe eine Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung und eine Geldbuße der Anwaltskammer von 25.000 Mark wegen standeswidrigen Verhaltens verschwiegen. Der Betroffene hat in der Öffentlichkeit Vorwürfe bislang als „völligen Quatsch“ zurückgewiesen und eine Mandatsrückgabe als „völlig absurd“ ausgeschlossen. Seiner Fraktion soll Neumann mitgeteilt haben, er werde auf Grund der knappen CDU/CSU/FDP-Mehrheit sein Mandat auch nicht ruhen lassen. Offensichtlich richtet sich der Abgeordnete auf eine längere Tätigkeit als Parlamentarier ein: Als einer der ersten SPDler hat er im „Langen Eugen“ ein Büro bezogen und einen Assistenten eingestellt. Angebote von Genossen, ihn zumindest finanziell zu unterstützen, soll er ausgeschlagen haben.
Neumanns Karriere als Rechtsanwalt könnte mit einer weiteren Verurteilung allerdings beendet sein. Für eine Zulassung sind ein Mindestmaß an Solidität und geordnete Vermögensverhältnisse Voraussetzung. Sollte er sein Mandat nicht zurückgeben, schlossen einzelne Sozialdemokraten auf dem Berliner Landesparteitag am Dienstag ein Parteiausschlußverfahren nicht mehr aus. Gäbe Neumann sein Mandat zurück, würde Angelika Barbe aus dem Ostteil in den Bundestag nachrücken. Dirk Wildt
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